Frischer Wind am Markt

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Das kleine Liechtenstein will ein internationales Zentrum der Telekommunikation werden. Ein Beispiel dafür, wie der Markt - vom Telefonnetz bis zum Kabelfernsehen - aufgeteilt werden kann. Auch Österreichs Post mischt mit.

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Das kleine Liechtenstein will ein internationales Zentrum der Telekommunikation werden. Ein Beispiel dafür, wie der Markt - vom Telefonnetz bis zum Kabelfernsehen - aufgeteilt werden kann. Auch Österreichs Post mischt mit.

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Rund 30.000 Einwohner und 70.000 Briefkastenfirmen - so wird der Zwergstaat Liechtenstein gemeinhin charakterisiert. Der Leserschaft des "Telekommunikationsreports" entsprechend sei noch hinzugefügt: 20.000 Telefonanschlüsse.

Dieser Zwergstaat will künftig auch im Telekommunikationsgeschäft zu den ganz Großen gehören. Liechtenstein will nicht mehr und nicht weniger als "ein internationales Zentrum für Telekommunikation" werden - und zwar "sowohl innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes als auch global", hielt die Regierung vor dem Landtag fest. Tatsächlich hat das kleine Land zwischen Österreich und der Schweiz geradezu einmalige Voraussetzungen: Das gesamte Telefonnetz gehört dem Staat - und er allein bestimmt die Nutzungsbedingungen. Zudem ist die Infrastruktur hervorragend ausgebaut. Als erstes Land in Europa hat Liechtenstein Anfang 1997 sein Telekommunikationsnetz vollständig digitalisiert. Und jetzt wird auch noch kräftig nachgelegt: Um nicht weniger als 22 Millionen Franken (180 Millionen Schilling) werden zwei internationale Vermittlungsstellen gebaut, um das liechtensteinische Netz von der Schweiz abzukoppeln.

Geradezu einmalig sind die steuerlichen Bedingungen, unter denen sich Unternehmen ansiedeln können: Steuern über 20 Prozent Höhe sind schlichtweg unbekannt. Holdinggesellschaften bezahlen keine Ertragssteuern, sondern nur eine Kapitalsteuer in Höhe von 1 Promille.

Seit 1921 betrieb die Schweizer Post, die heutige Swisscom, das Telefonnetz des Landes. Die Schweizer sorgten auch für den Netzausbau, bezahlt wurde er aber von der liechtensteinischen Regierung. Deshalb war das Netz formal im Besitz des Fürstentums - freilich ohne Einfluß auf die Geschäftspolitik der Swisscom zu haben. Das Fürstentum ist mit einer eigenen Ortskennzahl an die Schweiz angegliedert, in beiden Ländern gelten dieselben Gebühren. Erst Anfang 1999, wenn die beiden internationalen Switches in Betrieb gehen, bekommt der Zwergstaat eine eigene internationale Kennzahl. 1994 begann die Fürstliche Regierung mit den Vorbereitungen zur Verselbständigung des Landes. Hauptgrund war der Beitritt zum EWR, der auch im Telekommunikationsbereich eine Liberalisierung nötig machte. Ende Februar dieses Jahres schließlich ging die Ausschreibungsfrist zu Ende, bei der die künftigen Telekom-Betreiber ermittelt werden sollen. Die Interessenten konnten sich dabei für vier verschiedene Bereiche bewerben: Nationaler Telefonverkehr, internationaler Telefonverkehr, Netzplanung sowie Bau und Unterhalt des Netzes.

Mit der Ausschreibung setzte die Regierung ein klares Signal zur -wenigstens teilweisen - Ablöse der Swisscom: Einem einzelnen Unternehmen können maximal zwei der vier Bereiche zugeschlagen werden. Ein Hintertürchen blieb allerdings offen. Bei besonderen Gründen kann doch ein Unternehmen für alle Bereiche den Zuschlag erhalten. Die erst vor einem halben Jahr gegründete liechtensteinische Tochtergesellschaft der Swisscom, Telecom FL AG, bewarb sich denn auch gleich für alle vier Konzessionen. "Unsere Absicht ist, das fortzuführen, was wir hier aufgebaut haben", meint Geschäftsführer Paul Meier.

Der technische Direktor Rolf Sauter assistiert: "Wir bieten schon jetzt alle Dienstleistungen an und wollen das auch in Zukunft machen." Die Swisscom-Tochter wirbt für sich mit der "bekannten Qualität" und den "im internationalen Vergleich günstigen Preisen": "Wir sind nicht ein Rosinenpicker, sondern ein Vollsortimenter", argumentiert Sauter. Er verspricht, man wolle versuchen, "noch besser auf den liechtensteinischen Markt einzugehen".

Konkurrenz in den Startlöchern Genau daran zweifelt jedoch die Konkurrenz: Die Telecom FLAG könne nicht günstigere Tarife anbieten als ihre Muttergesellschaft - sonst würden die Schweizer Kunden zurecht empört aufschreien, meint Hans-Uwe Gebhardt, Aufsichtsratsvorsitzender der Schweizer Catel AG. Catel ist Teil des "Konsortium Liechtenstein Telecom", das sich für den nationalen und internationalen Verkehr beworben hat. Mit von der Partie sind in dem Zusammenschluß auch die österreichische "Pegasus" und die deutsche ETS sowie ein kleiner liechtensteinischer Internet-Provider. Gebhardt sieht in Liechtenstein die "europaweit einmalige Möglichkeit, ein nicht monopolisiertes Netz zu privatisieren". Sein Konsortium will vor allem internationale Verbindungen um bis zu 60 Prozent billiger anbieten als der Schweizer Telekom-Riese. Außerdem will Gebhardt bessere Dienstleistungen anbieten - ein lukratives Internet-Angebot oder ein liechtensteinisches Call-Center etwa. Schließlich soll im Fürstentum auch noch ein eigenes GSM-Netz entstehen.

Schweigsame Österreicher Gute Chancen räumen Beobachter auch dem landeseigenen Stromversorger "Liechtensteinische Kraftwerke" (LKW) ein. Er hat sich für den Betrieb und Unterhalt des Netzes beworben. Obwohl die nötige Gesetzesänderung noch nicht erfolgt ist, boxte die Regierung im Landtag das Budget der LKW durch - samt Budgetposten für die Gründung einer Telekom-Tochtergesellschaft.

"Wir sehen sehr große Synergien zwischen unserem eigenen Netz und dem Telekommunikationsnetz: Es sind die gleichen Kunden, es sind die selben Baustellen und die selben Durchleitungsrechte", meint der Technische Direktor Walter Marxer. Zudem seien teilweise sogar schon Leerverrohrungen zu den bestehenden Stromkabeln gelegt worden.

Unter den insgesamt sieben Bewerbern ist auch die Post & Telekom Austria. Während die Konkurrenz kräftig die Werbetrommel rührt, gibt sich der österreichische Ex-Monopolist verschlossen: "Die Tatsache, daß wir in Liechtenstein anbieten, bestätigen wir gerne. Über Inhalte möchten wir keinerlei Auskünfte geben", ist Unternehmens-Sprecher Dr. Karl Holleschek zu entlocken. Mehr nicht.

Die Verlierer unter den sieben Bewerbern brauchen sich keine grauen Haare wachsen zu lassen. Denn schon im Herbst wartet in Liechtenstein die nächste Ausschreibung. Dann soll ein "alternatives Netz", vermutlich das im Landes- und Gemeindebesitz stehende Kabel-TV-Netz privatisiert werden. Damit hätte ein zweites Unternehmen Zugang zu mehr als 10.000 Haushalten des Landes.

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