Funkstille im Privat-Äther?

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Krisenstimmung: Das Privatradiogesetz wird - möglicherweise aufgehoben.

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Krisenstimmung: Das Privatradiogesetz wird - möglicherweise aufgehoben.

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Auf dem Papier sieht es so aus, als würde der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das Privatradiogesetz aufheben". Heinz Wittmann, Medienrechtsexperte und Mitglied der Privatrundfunkbehörde, zeichnet ein "Worst case"-Szenario: "Wenn davon auch die Lizenzbescheide für die Betreiber betroffen sind, dann dürfen die privaten Radiostationen plötzlich nicht mehr senden". Investitionen in der Höhe von drei Milliarden Schilling wären weg.

Der Stein des Anstoßes: die Privatrundfunkbehörde, die die Sendelizenzen vergibt, unterlag bis zum Sommer 1999 keiner Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Das ist verfassungswidrig. "Diese Beanstandung hat der VfGH sehr abstrakt formuliert", meint Wittmann: "Ich gehe davon aus, daß die Beschwerde durch die zahlreichen Klagen, die beim VfGH eingelangt sind, ausgelöst wurde." Tatsächlich gibt es rund 90 Beschwerden, die von zum Großteil abgewiesenen Lizenzbewerbern beim VfGH eingereicht wurden. Darin wird zumeist über Beteiligungsverhältnisse und Medienverflechtung der Radiosender geklagt. So wären einige Medienunternehmen zu mehr als den erlaubten 26 Prozent an Sendern beteiligt. Nach einem Bericht der APA liegt etwa beim Wiener Lokalradio Energy 104,2 die Beteiligung des deutschen Springer-Konzerns bei rund 37 Prozent.

Bei der Privatrundfunkbehörde handelt es sich um eine sogenannte Kollegialbehörde, die weisungsfrei in erster Instanz Entscheidungen treffen kann. "Wichtige Bereiche, die typischerweise in die Verwaltung gehören, werden so der Ministerverantwortung und damit der Kontrolle durch den VwGH entzogen", meint die Richterin Barbara Helige, Vorsitzende der Privatrundfunkbehörde. Helige will aber nicht den Teufel an die Wand malen: "Man muß jetzt einmal das Urteil des VfGH abwarten. Die derzeitige Prüfung der Lage bedeutet nicht zwingend die Aufhebung der Sendeerlaubnis".

Helige sieht Chancen, den VfGH davon zu überzeugen, daß die Schwachstellen im Regionalradiogesetz mit der Gesetzesnovelle vom Sommer 1999 behoben worden wären. "Seit damals ist es ja möglich, zum VwGH zu gehen. Der VfGH müßte also nicht mehr darüber klagen". Überdies würde eine Streichung der Sendelizenzen für die meisten Sender das Aus bedeuten. "Der Schaden für die Branche wäre riesengroß", ist Helige überzeugt. Betroffen wären freilich nur die geklagten Sender. "In Wien wurden alle Lizenzen der Radiosender angefochten, aber für Sender wie Radio Rpn (NÖ), Life Radio (OÖ) oder Antenne Steiermark gab es keine Klagen. Die dürften dann weiterhin senden", weiß Heinz Wittmann.

Die Lage für die Privaten, die im April 1998 voller Enthusiasmus ihren Betrieb starteten, ist also durchwegs ernst. Denn für viele kam schon nach kurzer Zeit die Ernüchterung. Zunächst wies der Radiotest im Vorjahr sinkendes Interesse an den Privaten aus, während sich die ORF-Radios, allen voran Ö3, über die größte Hörerschaft ihrer Geschichte freuen konnten. Dann berichtete das Branchenblatt Der österreichische Journalist über die rapide Abwanderung von Journalisten und Moderatoren, die von den kommerziellen Sendern zum ORF (zurück)gekommen sind. "Wir hoffen nun, daß der VfGH die Lizenzen nicht entzieht und die Branche damit endgültig in die Krise treibt", meint Barbara Helige.

Gelassenheit regiert bei den Privaten: Claus Hörr, Vize-Programmchef beim Wiener Radio 88,6 macht sich zum Thema VfGH "öffentlich vorerst keine Gedanken. Wir werden die Entscheidung abwarten und Tee trinken". Der FPÖ-Medienexperte Kurt Lukasek rechnet im schlimmsten Fall damit, daß die Privatsender die Beschwerdeführer auskaufen oder am Sender beteiligen werden: "Jetzt beginnt der Basar. Da gibt es viel Geld zu verdienen."

Noch ist es nicht soweit: Mit einer Entscheidung des VfGH über die Zukunft der Radiofreiheit in Österreich ist laut Heinz Wittmann nicht vor dem Sommer zu rechnen.

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