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Für "politische" E-Mails wandert man in China ins Gefängnis: Eine weltweite Kampagne von Amnesty International geht gegen Internet-Zensur vor.

Der chinesische Journalist Shi Tao wandte sich via E-Mail an eine pro-demokratische Website aus den USA. Der Inhalt seines Mails: Shi Tao berichtete von Warnungen der chinesischen Führung gegen die Presse des Landes, eine Berichterstattung über Demonstrationen anlässlich des Jahrestages des Massakers am Tiananmen-Platz, bei dem 1989 hunderte Demonstranten getötet worden waren, wäre zu unterlassen. Shi Tao sandte das E-Mail über sein Yahoo-Mailkonto - ein Jahr später stand er vor Gericht, weil die Partnerfirma von Yahoo in China seine Mailkonto-Daten an die chinesischen Ermittler weitergab. Shi Tao wurde zu 10 Jahren Haft verurteilt, weil er "Staatsgeheimnisse auf illegale Weise verbreitet" hatte.

Viele große Firmen, darunter Yahoo, Microsoft und Google, wittern am chinesischen Markt das große Geld und haben daher bereitwillig den lokalen Gesetzen der Chinesen zugestimmt - dabei spielt die Zensur und die Datenweitergabe im Internet eine zentrale Rolle.

Mit tatkräftiger Westhilfe

China hat sich in den letzten Jahren das raffinierteste Zensursystem im Internet ausgedacht - und große IT-Firmen aus dem Westen haben es mit ihrem Know-how ermöglicht. Das Resultat: Die chinesischen Varianten von Google, Microsoft & Co. werden zensiert, gewisse Websites werden gänzlich oder teilweise geblockt, damit wichtige Informationen die Menschen nicht erreichen können.

Nach Wörtern wie "Demokratie", "Menschenrechte" oder "Taiwanesische Unabhängigkeit" kann nicht mehr gesucht werden. Blogs und E-Mail-Konten werden geschlossen, Daten an Behörden weitergegeben. Eine eigene Internet-Polizei verbringt ihre Zeit damit, das Internet auf verbotene Inhalte zu überwachen. US-Firmen wie Cisco oder Sun Microsystems stellen ihre Filter-und Überwachungstechnologie dafür zur Verfügung.

Solche Informationsblockade stößt den Mitgliedern von Amnesty International sauer auf. Deshalb wurde nun unter www.irrepressible. info eine weltweite Kampagne gegen Unterdrückung im Internet gestartet. "Yahoo gab Infos an die Behörden weiter, die dazu führten, dass Menschen verhaftet wurden, weil sie E-Mails mit politischen Inhalten versendeten. Wir können die Argumente dieser Firmen nicht akzeptieren, in denen es heißt, es wäre besser, ein zensiertes Google, Yahoo oder Microsoft zu haben, als gar keines", schreibt Kate Allen, Chefin von Amnesty Großbritannien, im britischen Observer. Amnesty-Österreich-Chef Heinz Patzelt: "Das Internet ist ein machtvolles Instrument, das oft auch für Verbrechen wie Kinderpornografie oder Nazi-Inhalte missbraucht wird. Wir bekennen uns dazu, dass das Internet unter rechtsstaatlichen Bedingungen überwacht wird. Aber eine Zensur, die den friedlichen Austausch von Meinungen beschneidet, ist inakzeptabel. China ist außerdem ein Beispiel für das perverse Zusammenspiel von Regime und Unternehmen aus dem Westen."

Die Website www.irrepressible.info liefert Informationen über Zensurversuche und Übergriffe auf die Freiheit des Internet. Bei einer Online-Unterschriftenaktion sollen möglichst viele Menschen mitmachen. Außerdem lässt sich über die Website ein Tool herunterladen, das auf der eigenen Website eingebaut werden kann: "Jedes Mal, wenn diese neu geladen wird, wird ein neues Stück Text angezeigt, das von irgendeiner Regierung auf der Welt verboten wurde. So soll sich die Nachricht vom unterdrückten Internet rasend schnell und effektiv verbreiten", sagt Patzelt.

www.irrepressible.info

Die Situation in China ist brisant: Alle Homepages müssen staatlich registriert werden - sonst droht ihnen die Schließung. Besitzer von Internet-Cafés sind für das Surfverhalten ihrer Kunden verantwortlich, weshalb ohne Ausweis ein Zutritt unmöglich ist. In vielen dieser Cafés sind Videokameras installiert, um all jene festzuhalten, die das Lokal betreten. In der Stadt Shenzhen erscheinen auf allen Computerbildschirmen zwei Zeichentrick-Polizisten, die die User daran erinnern sollen, dass man sie beobachtet und dass sie besser nicht nach verbotenen Themen recherchieren.

"Die Softwarefirmen aus dem Westen, die dieses System mit ihrer Technik unterstützen, argumentieren, dass sie sich an lokale Gesetze und Gegebenheiten halten müssten", sagt Heinz Patzelt. "Doch das wäscht sie nicht rein: Firmen haben die Pflicht, die Menschenrechte zu wahren."

Das chinesische Internet-Zensurmodell macht unterdessen auch in anderen Ländern Schule: Im Iran bereitet man sich darauf vor, sämtliche Internet-Aktivitäten der Einwohner zu überwachen. Auch Israel steht auf der schwarzen Liste von Amnesty. Die Organisation kämpft zudem für bereits inhaftierte Web-User in Tunesien oder Vietnam.

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