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Noch im Auge des Sturms: Von den Unmöglichkeiten der Berichterstattung aus dem Irak.Journalistische Notizen aus dem Zentrum des Weltinteresses.

Auf der Fahrt von Bagdad nach Basra möchte der österreichische Journalist wissen, was in den von der Straße aus sichtbaren Fabriken hergestellt wird. "Steine", sagt Mohammed, der Übersetzer. Und präzisiert auf Nachfrage: "Die werden gekocht." Was er meint, ist: Hier werden Ziegel gebrannt.

Problem Sprachbarriere. Nur wenige der internationalen Berichterstatter, die derzeit im Irak ihre Arbeit tun, sind des Arabischen mächtig. Wackelige Übersetzungen gehören zum Arbeitsleid. Jammert ein Radioreporter: "Jeder, der Yes und No und Marlboro sagen kann, gilt hier schon als Übersetzer."

Mohammed ist nicht nur Dolmetsch mit Vokabelschwäche. Er ist der offizielle "Guide" des TV-Teams. Wer immer als Journalist im Irak akkreditiert ist, hat in der Regel solch einen Begleiter mit. Auf Schritt und Tritt. Vor allem TV-Teams stehen unter Beobachtung. Der Begleiter organisiert Drehgenehmigungen, vermittelt Termine mit Interviewpartnern. Das funktioniert leidlich, so lange die Wünsche des Reporters im Rahmen des Erwünschten bleiben. Aber die Freiheit ist begrenzt. Mohammeds Deutsch ist ausreichend, um klarzustellen: "Ich sage Ja oder Nein."

Das Begleiter-System ist ineffizient und effizient zugleich. Es gelingt natürlich nicht, die Journalisten zu täuschen. Auch der Unerfahrenste merkt schnell, dass man ihm das Eine zeigen, das Andere verheimlichen will. Andererseits aber verhindert es zuverlässig jede freie Recherche und Berichterstattung. Schon die Präsenz des Begleiters allein lässt Gesprächspartner verstummen oder vorsichtig werden. Auch kritische Menschen werden vor der Kamera zu glühenden Saddam-Verehrern. Straßeninterviews fördern martialische Irak-Begeisterung zu Tage; regierungskritische Positionen drängen mit guten Gründen nicht an die Öffentlichkeit. Ein ungefilterter Kontakt mit der Bevölkerung gelingt nur in Ausnahmefällen.

Etwa 600 internationale Berichterstatter sind derzeit im Irak, um dabei zu sein, wenn die Würfel fallen. Der Großteil von ihnen ist im Bagdader Rashid-Hotel untergebracht - dem, wie gemunkelt wird, bestverwanzten Hotel der Stadt. Das Pressezentrum des Informationsministeriums stellt um gutes Geld Infrastruktur zur Verfügung: Arbeitskojen, Fax, Telefon. 100 Dollar pro Tag kostet allein die Benützung eines Satellitentelefons.

"Die Anzahlung nehmen wir"

Die Arbeitsbedingungen sind schwierig. ORF-Reporter Friedrich Orter muss sich um die Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung bemühen. "Ich fühle mich wie Minotaurus im Labyrinth", stöhnt er. Der Time-Korrespondentin aus Indien hat man mit auf den Weg gegeben: "Get Saddam. And get the news." Die Wirklichkeit klingt weniger spannend. Saddam zu einem Interview zu bekommen, ist so gut wie ausgeschlossen. Und die News? Eine Pressekonferenz, ein Presse-Briefing, irgendwo vielleicht ein Hintergrund-Gespräch. Und überall Kämpfe und Rangeleien der Kameraleute um die besten Plätze. Eigenrecherchen sind nur möglich, soweit es der Guide zulässt. Der Effekt: Man ist irgendwie im Brennpunkt des Geschehens, aber es tut sich eigentlich wenig. "Zuerst war ich im Pressezentrum und habe nichts getan, dann war ich im Hotel und habe nichts getan", schildert die Kollegin ihren Tag und ein Radioreporter pflichtet ihr bei: "Mir gehen die Geschichten aus." Nachsatz mit glänzenden Augen: "Ich habe heute meinen Rückflug gebucht."

Kommt es zum Krieg? - Faisal al Yasiri, Chef der irakischen Filiale des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera, gibt sich gelassen: "Sterben kann man immer", sagt er. Seine Firma vermietet Kamerateams und Schnittplätze an ausländische Reporter. Gern erzählt Faisal die Geschichte von dem Mann, der einem Wesir versprochen hat, er könne innerhalb von fünf Jahren einen Esel zum Sprechen bringen. Die Hälfte des Honorars nimmt er als Anzahlung. Ein hoffnungsloser Deal? Nein, sagt der Mann, in fünf Jahren kann der Wesir sterben, kann ich sterben, kann der Esel sterben. Das heißt übersetzt: Die Katastrophe möge ausbleiben, aber, so Faisal, "die Anzahlung nehmen wir gerne".

In der Protokollabteilung des Informationsministeriums ist eine TV-Crew aus Moskau gestrandet. Mit der Drehgenehmigung klappt etwas nicht. Jetzt braucht man starke Nerven. Und Geduld, die Steine weich kocht. Einer singt leise: "Don't worry, be happy." Der Tonmeister schläft ostentativ. Der Kollege aus Österreich hat auch viel Zeit. Er wartet darauf, dass sein Material verpackt und für die Ausfuhr gestempelt wird. Plötzlich spricht der Kameramann mit erhobener Stimme in Richtung Deckenleuchte, als wäre dort ein Mikrofon versteckt: "Genosse Major, sechs Tee bitte." Alle lachen, sogar der Schläfer grinst. "Ein alter Witz aus Sowjetzeiten", erläutert der Russe. Kein Wunder, dass ihm der hier einfällt.

Der Autor ist Religionsjournalist im ORF-Fernsehen.

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