George Orwell scheiterte nachhaltig

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George Orwell hat es schon vor mehr als fünfzig Jahren gewusst. Doch die Menschheit anno 2002 ignoriert vieles, was der britische Pessimist in der Schreckensvision "1984" nur angedacht hatte, was aber heutzutage schon bittere Realität zu werden beginnt.

Die Überwachungsformen, deren sich Sicherheitsdienste bedienen können, sind zahlreich und werden kaum diskutiert. (Wer macht sich öffentlich Gedanken darüber, dass etwa Handy-Besitzer überall aufgespürt werden können, wenn sie ihr mobiles Gerät eingeschaltet haben?)

Seit dem 11. September ist alles noch verschärft: Denn mit dem Argument der Terrorbekämpfung lassen sich die politischen Entscheidungsträger allemal dazu bringen, immer schärfere Kontrolltechniken moderner Kommunikationsmittel zuzulassen.

Jetzt hat das Europäische Parlament eine Richtlinie verabschiedet, welche Internet-Provider und Handynetz-Betreiber zur langfristigen Speicherung von Daten verpflichtet. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass Sender, Empfänger und Inhalt von SMSen ebenso gespeichert werden wie Daten darüber, wer wann welche Internet-Seiten betrachtet hat.

Spätestens jetzt wird klar: "1984" ist Wirklichkeit. Private Informationen und Kommunikation sowie jede Privatsphäre können, soweit sie über mobile Telefonie und Internet nachprüfbar sind, von einem Großen Bruder überwacht werden.

Natürlich gibt es Argumente für diese Maßnahmen: Konsumenten sollen, so heißt es, damit vor unliebsamen E-Mails und SMSen geschützt werden. Und selbstverständlich fallen auch den Staatsschützern Begründungen ein: Die Gesellschaft sei vor Terroristen zu schützen oder vor anderen, die im Geheimen Untaten begehen oder planen.

Doch ein Blick in die Geschichte zeigt, dass all diese Argumente schon immer da waren: Damit wurden im Vormärz die Metternich-Spitzel ebenso gerechtfertigt wie in den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts die Überwachungsorgien von der Gestapo bis zur Stasi.

Gegen diese Machtfantasien schrieb Orwell - von "Animal Farm" bis "1984" - an. Es scheint, dass diesem Anschreiben kein nachhaltiger Erfolg beschieden ist. Otto Friedrich

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2002

Unter Kontrolle

Die modernen Informationstechnologien eröffnen viele Möglichkeiten, in die Privatsphäre einzudringen.Computer in jedem Büro, Handys wohin man schaut, Internet-Surfen ab der Volksschule ... E-Mail und Internet sind aus dem Leben kaum mehr wegzudenken. Täglich werden weltweit zehn Milliarden SMS,vier Milliarden E-Mails verschickt, drei Milliarden Telefon-Gespräche im Festnetz und eine Milliarde per Handy geführt, rechnet Gerald Reischl in seinem Buch Unter Kontrolle vor. Die Informationsverarbeitung und -vermittlung hat eine enorme Entwicklung hinter- und schier grenzenlose Möglichkeiten

2003

Ganz normal verdächtig

Im Gefolge der Anschläge vom 11. September haben die westlichen Staaten ihre Überwachungssysteme stark ausgebaut. Methoden der elektronischen Datensammlung und -verarbeitung machen dies möglich.Familie W. will dieses Jahr eine lang ersehnte Reise nach Kalifornien unternehmen. Die Buchung klappt, der Flug ist lang, aber problemlos. In Los Angeles angekommen, wird Herrn W. allerdings die Einreise in die USA verweigert: er muss retour nach Österreich. Was ist geschehen?Martin W., 35, hat bei der Buchung der Reise einen Menüwunsch geäußert - er wählte das Essen ohne Schweinefleisch.

Bürger unter Beobachtung

Die Privatsphäre ist ein Gut, das die Verfassungen erst seit 50 Jahren schützen. Heute scheint diese Errungenschaft sehr gefährdet: Die elektronische Datenverarbeitung macht es möglich, weitgehend unkontrolliert Unmengen von Informationen über den Bürger zu sammeln, zu speichern und gezielt auszuwerten. Und weil das Sicherheitsstreben nach den Attentaten vom 11. September stark zugenommen hat, nimmt der Bürger erstaunlich bereitwillig zur Kenntnis, dass man ihn immer mehr überwacht. Redaktionelle Gestaltung: Christof GaspariDer Konsument ist heute laufend mit elektronischen Systemen in

2004

Begrenztes Netz

Das Internet wird zunehmend überwacht - nicht nur in Diktaturen, sondern auch in Demokratien. Viele sehen bereits die Pressefreiheit gefährdet.Welch ungeheure Euphorie hatte das Aufkommen des Internets doch ausgelöst: Endlich gab es einen völlig unkontrollierbaren Raum, in dem jeder Erdenbürger publizieren konnte, was er wollte. Die totale Meinungsfreiheit, die sich über Grenzen, über Regime, über politischen und wirtschaftlichen Druck hinwegsetzen konnte. Allein: Diese Meinungsfreiheit währte nicht lange. Denn abgesehen davon, dass das Internet auch Tummelplatz für die

2018

"Keine Zukunft ohne Recht auf HeimlicHKeit"

Gegen staatlichen Zwang, immer eine Wanze zu tragen, würden wir uns wehren. Aber digitale Überwachung sehen und spüren wir nicht. (Georg Markus Kainz)Das Wichtigste ist, sich bewusst zu werden, welche Spuren man hinterlässt und sein Verhalten entsprechend anzupassen. Es ist, wie wenn man seine Ernährung umstellt. (Georg Markus Kainz)Bei jeder neuen staatlichen Befugnis muss man klären: Wie sichert der Rechtsstaat, dass Missbrauch nicht passiert? (Ingrid Brodnig)Im BUWOG-Prozess beruhen die Erkenntnisse auf Telefonüberwachung. Es gibt also die Fälle, in denen die Justiz erst aufgrund

Die digitale Gesellschaft und ihre Feinde

'Post Privacy', die totale Informations-'Freiheit' im Internet, lasse sich ohnehin nicht verhindern. So argumentiert eine Industrie, die daraus Profite schlägt.In seiner Frühzeit wohnte dem Internet ein großes Versprechen inne. Im Cyberspace kannte man keine Grenzen. Er bot unzählige Nischen, in denen sich Menschen frei und weitgehend unbeobachtet austauschen konnten - selbst zu den exotischsten Themen. Das Internet von damals beflügelte viele Konzepte, die alle das Prädikat "Open" tragen: Open Source Software, Open Government Data oder Open Knowledge. Auch eine offene Gesellschaft im

2022

Ukraine-Krieg: Der neue Eiserne Vorhang im Netz

Die Regierung in Moskau ist drauf und dran, nach dem Vorbild des Irans und Chinas den ungehinderten Zugang zum Internet für seine Bürger abzuschaffen. Nicht nur einzelne Dienste sollen gesperrt werden, auch Suchmaschinen dürften streng zensiert werden.