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Ein Sammelband investigativer Journalisten aus den USA erzählt durch und durch heutige Geschichten von der (Selbst-)Zensur.

Die Debatte um die Folterungen der US-Army im Irak hat den Medien in God's own country ein wenig bessere Nachrede verschafft. Denn immerhin wurden die Folterbilder via CBS und alle relevanten Medien im Land weiter verbreitet. In den letzten Jahren, im Speziellen seit dem 11. September 2001 und dann erst recht rund um den Irakkrieg, meinte man nicht nur von Europa aus, die US-Medien wären überall dort blind, wo es der Bush-Administration gefährlich werden könnte. Auch der österreichische Beobachter erhielt Anrufe aus den USA, die klagten, man müsse sich auf den Internet-Seiten europäischer Zeitungen informieren, denn die hiesige Medien-Landschaft sei in der eigenen patriotischen Aufwallung gefangen und berichte vieles nicht.

Dieser Befund stellt keineswegs eine amerikahasserische Fantasie aus Bad Old Europe dar: Das belegt auch der Sammelband der investigativen Journalistin Kristina Borjesson "Zensor USA - Wie die amerikanische Presse zum Schweigen gebracht wird". Darin erzählt etwa der US-Journalist Greg Palast, der in London beim Guardian und Observer sowie für die BBC arbeitet, wie es ihm nicht gelang, eine Wahlfälschungsgeschichte in den USA zu veröffentlichen: Vor der Präsidentschaftswahl 2000, so Palasts Fakten, hatte Floridas Gouverneur Jeb Bush (der Bruder) 50.000 Wähler illegalerweise von den Wähler- listen streichen lassen. Wenig verwunderlich, dass die Ausgeschlossenen potenzielle Wähler der Demokraten waren - und besonders brisant, weil, wäre dieser Skandal rechtzeitig aufgedeckt worden, George W. Bush, dessen Wahl durch seinen fragwürdigen hauchdünnen Sieg in Florida möglich wurde, nicht Präsident der Vereinigten Staaten wäre.

Doch die Story wurde weder von den (renommierten) TV-Sendern, noch von den Flaggschiffen der Presse wie der New York Times oder Washington Post gebracht: Wer über den Skandal informiert sein wollte, musste die Sendung Nightline auf BBC anschauen oder im Londoner Guardian den entsprechenden Bericht lesen. Palast erzählt die haarsträubenden Umstände, die zur schweigenden Komplizenschaft der US-Medien mit den Machenschaften der Mächtigen führten. Das Ergebnis: Ein halbes Jahr nach George W. Bushs Amtsantritt kam der Bericht einer Bürgerrechtskommission zum selben Ergebnis wie Palast. Erst da berichtet dann auch die Washington Post.

Dies alles geschah noch vor dem 11. September ebenso wie die meisten der anderen 12 Geschichten investigativer Journalisten, die Borjesson in ihrem Band gesammelt hat - ein bedrückendes Panoptikum von Machtmissbrauch, das dem Leser vor Augen führt, wie sehr dieser Zensur-Wahnsinn Methode hat: Die Geschichte von Amerikas Ölinteressen, die hinter dem Anzetteln des Irakkriegs stecken, und dass kaum ein Medium die diesbezüglichen Lügen der Bush-Administration hinterfragte, ist da längst bekannt. Erschreckender die Geschichte über einen Molkerei-Skandal mit hormonverseuchter Milch, die der Pharma-Riese Monsanto durch Bedrohung der Medien mit Werbe-Entzug landesweit vom Tisch brachte. Oder das unglaubliche Leiden des Bobby Garwood, der 14 Jahre in Vietnam als Kriegsgefangener verbrachte, und dann, als er zurück war, von der Armee als Verräter und Kollaborateur öffentlich denunziert wurde: 1979, als Garwood in die USA zurückkehrte, lautete die offizielle Regierungspolitik, es gebe in Vietnam keine amerikanischen Kriegsgefangenen mehr. Da Garwood aber lebender Beweis des Gegenteils war, musste er öffentlich diffamiert - und auch aus der Armee entlassen werden. Auch mit diesem Fall wollte sich kaum ein Medium beschäftigen.

Einmal ist es die Armee, dann die Regierung, dann sind es oligarchische Systeme oder verzweigte Konzerne, die den Medien auf vielerlei Weise den Mund stopfen, wenn übereifrige Journalisten eine Story entdecken wie den Zusammenhang von Aktivitäten der CIA in Nicaragua mit dem Explodieren des Drogenhandels in Los Angeles: Auch wenn Aufdecker John Kelly genug Belege für die Verwicklung der CIA in diesen Drogenhandel vorlegen konnte, kannte der Geheimdienst genug Mittel und Wege, um Kelly nachhaltig zu diskreditieren.

Einen aufschlussreichen, bedrückenden, aber notwendigen Blick stellt das Buch dar, das von der Unfreiheit der Presse in einem freien Land handelt. Eine Unfreiheit, die sich die Medien auch selbst zuzuschreiben haben. Und die - so darf befürchtet werden - auch diesseits des Atlantiks grassiert.

ZENSOR USA. Wie die amerikanische Presse zum Schweigen gebracht wird. Hg. Kristina Borjesoon. Mit einem Vorwort von Jean Ziegler. Pendo Verlag, Zürich 2004. 432 Seiten, geb., e 24,90

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