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Auch heuer standen politische Filme bei der Berlinale hoch im Kurs.

Da gab es private Dramen, von persönlichen Schicksalen getragen. "I've loved you so long" mit Kristin Scott-Thomas oder "Ballast" des Regiedebütanten Lance Hammer. Da wurde so oft gestorben wie selten zuvor bei einer Berlinale, in "Caos Calmo" mit Nanni Moretti oder in "Kirschblüten" von Doris Dörrie. Da gab es Musik-Filme, über die Rolling Stones und Patti Smith, von Neil Young und Madonna.

Doch am Ende setzten sich wieder die politischen Filme durch. Der Goldene Bär für das brasilianische Drama "Tropa de Elite" von José Padilha zeigt, wie konsequent die Berlinale ihrem Ruf als politischstes Festival der Welt gerecht wird. Zumal mit Costa-Gavras selbst ein politisch engagierter Filmemacher der Jury vorstand.

"Tropa de Elite" erzählt von einer brutalen Spezialeinheit der Militärpolizei, die in den Armenvierteln von Rio de Janeiro gegen die Drogenmafia vorgeht. Der Film ist rasant im Tempo und seiner Ästhetik: Dokumentarische Fiktion gepaart mit Handkamera und schnellen Schnitten. In Brasilien wurde José Padhila vorgeworfen, seine Inszenierung verherrliche die Staatsgewalt und sei faschistoid. Die Berlinale-Jury sah das anders: Ihr sind politische Statements wichtiger als ihre formale Umsetzung. Politik ist für sie auch eine Aufgabe des Kinos.

Wie auch der "Preis der Jury" an den Dokumentarfilm "Standard Operating Procedure" von Errol Morris zeigt. Ein zweistündiger Interview-Marathon, unterbrochen von einigen nachgestellten Szenen, soll die Grausamkeiten im irakischen US-Gefängnis Abu Ghraib nachvollziehbar machen. Die Bilder dazu stammen aus jener Digitalkamera, die die Soldaten auf ihre Folteropfer richteten - wie Hunde an der Leine, zu Menschenpyramiden geschlichtet, zum Onanieren gezwungen. Jeder hat diese unglaublich menschenverachtenden Fotos noch im Kopf, und Morris stellt diesen Bildern Interviews mit den damals verurteilten Soldat/inn/en zur Seite. Lynndie England, die von vielen dieser Folterfotos lachte, wurde damals weltbekannt - und spricht in "Standard Operating Procedure" wie ihre Kollegen ganz offen über ihre Zeit in Abu Ghraib. Die Soldaten begreifen den Dokumentarfilm als Bühne für eine Rechtfertigung. Morris gelingt jedoch das Gegenteil: Die Täter entlarven sich nichtsahnend selbst. Grandios - vielleicht der wichtigste Film dieses Festivals.

Der Wettbewerb bot in diesem Jahr sonst wenig Höhepunkte. "There Will Be Blood" (Silberne Bären beste Regie, beste Musik) über Aufstieg und Fall eines Öl-Tycoons, ist ein Film, den man sehen will, aber eigentlich nicht mögen kann. Der deutsche Beitrag "Kirschblüten" um Krebserkrankung und Trauerarbeit besteht aus unausgegorenen Versatzstücken über Liebe, Alter und Tod. Mike Leigh zeigte mit "Happy-Go-Lucky" (Beste Darstellerin: Sally Hawkins), dass er auch leichtfüßig und komödiantisch inszenieren kann, dem iranischen Film "The Song of Sparrows" über das Leben einer iranischen Familie auf dem Land wurde der Darstellerpreis für Reza Najie zugesprochen.

Dazwischen wenig Star-Kino, viele Filmexperimente: Sängerin Madonna versuchte sich mit "Filth and Wisdom" erstmalig als Regisseurin - und scheitert nicht. Auch eine der Überraschungen dieser Berlinale.

Herausragend auch der Film "Revanche" des Österreichers Götz Spielmann (Sektion Panorama). Der Thriller bezieht seine Spannung aus der unaufgeregten und stoischen Inszenierung. Eine exakte Figurenzeichnung hebelt das Klischee vom sozialen Rand aus, hievt den Film über die Tristesse so vieler anderer österreichischer Filme hinaus in eine neue Dimension: Nicht alle Geschichten, die sich zwischen Bordell und Bankraub abspielen, verbreiten zwingend Depression. Diese hier fesselt bis zur letzten ihrer 120 Minuten.

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