"Globallabor der Kultur“

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Christoph Thun-Hohenstein, Direktor des Österreichischen Museums für angewandte Kunst / Gegenwartskunst, kurz MAK, über seine Visionen.

Die Position des MAK "an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wirtschaft“, die "Berührungspunkte zwischen Neu und Alt“ machen für Christoph Thun-Hohenstein das Faszinierende seines Hauses aus.

DIE FURCHE: Kulturministerin Claudia Schmied hat in ihrer Amtszeit fast nur Frauen in Schlüsselpositionen gehievt. Fühlen Sie sich als Quotenmann?

Christoph Thun-Hohenstein (lacht): Nein. Die Ministerin wird wohl mein Konzept für die Zukunft des MAK überzeugt haben.

DIE FURCHE: Obwohl Sie keiner der 58 waren, die sich für die Nachfolge von Peter Noever beworben haben. Warum haben Sie trotzdem Ja gesagt, als Sie gefragt wurden?

Thun-Hohenstein: Ein solches Museum, das an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wirtschaft angesiedelt ist, betreuen zu dürfen, hat mich sehr gereizt. Wo ich auch meine langjährigen Erfahrungen als Leiter des Österreichischen Kulturforums in New York bzw. des Wiener Kreativlabors "departure“ einbringen kann.

DIE FURCHE: Sie haben das MAK in turbulenten Zeiten übernommen. Sie sind aber auch gelernter Diplomat. Hat das geholfen, die Wogen im Haus zu glätten?

Thun-Hohenstein: Wenn man nicht wie ein Elefant im Porzellanladen auftritt, hilft das. Mir ist wichtig, klare Vorstellungen von meiner Seite zu transportieren, aber auch ein gutes Gesprächsklima.

DIE FURCHE: Was man auch immer gegen Ihren Vorgänger sagen kann, er hat das Haus gründlich entstaubt, international positioniert.

Thun-Hohenstein: Ich habe dafür eine sehr klare Formel gefunden. Noever hat aus einer Weltklassesammlung ein Weltklassemuseum gemacht. Das wird auch als sein bleibendes Verdienst Bestand haben. Allerdings muss die in den letzten Jahren verloren gegangene Balance zwischen bildender und angewandter Kunst wieder hergestellt werden.

DIE FURCHE: Wie schauen Ihre Visionen für das MAK aus?

Thun-Hohenstein: Es geht um die Konzentration auf unsere Kernzuständigkeit vor dem Hintergrund unserer gewaltigen Sammlungen. Dazu gehören besonders die Wiener Moderne, das Biedermeier, die Zeit von Wien um 1900 und die in den letzten Jahren immer zentraler werdende digitale Moderne. Die Fragen: Was passiert heute, wie können sich die Kreativdisziplinen inklusive der bildenden Kunst, aber auch in Design und Architektur, in unsere Zeit adäquat einbringen? Unsere zweite Kernkompetenz ist das Globallabor der Kultur.

DIE FURCHE: Soll das im Rahmen der permanenten Schausammlung stattfinden, deren Präsentation inzwischen fast zwanzig Jahre am Buckel hat?

Thun-Hohenstein: Bei allen möglichen Projekten, aber primär im Rahmen der sukzessiven Erneuerung der Schausammlung. Ein ganz großes Projekt, das beim Jahrestag der Eröffnung des MAK vor 150 Jahren Anfang 2014 eröffnet werden soll, wird unsere neue "Lernsammlung“ sein - wo nach Materialien aufgeteilt unendlich viele Objekte zu sehen sind; zelebriert mit den Mitteln des jungen 21. Jahrhunderts, die andere sind als die des späten 20.

DIE FURCHE: Fließen diese Ansätze auch in das dieser Tage eröffnete Projekt "Wien um 1900“ ein?

Thun-Hohenstein: "Wien um 1900“ ist ein riesiges kuratorisches Experiment. Klar ist, dass wir diesbezüglich eine Weltklassesammlung inklusive des Archivs der Wiener Werkstätten besitzen. Im MAK wurde bisher aber kaum die Zeit nach 1918 beleuchtet, während wir nun die Betrachtung bis 1938 ausdehnen. Mit Christian Witt-Dörring haben wir einen exzellenten Kenner dieser Materie ins Haus zurückgeholt, der diese Schau in Zusammenarbeit mit der kalifornischen Künstlerin Pae White erarbeiten wird.

DIE FURCHE: Wie wird das funktionieren?

Thun-Hohenstein: Indem man beiden Möglichkeiten zur Entfaltung bietet. In einer ersten - bis Mitte März zu sehenden - Stufe führt der Kurator jene rund 500 Objekte des Wiener Kunstgewerbes vor, die ihm wichtig sind. Im ersten Raum geht es um die Suche nach einem modernen Stil, im zweiten wird der Wiener Stil dargestellt, der im Besonderen der von Klimt und Kolo Moser ist. In Raum drei geht es dagegen um die Nüchternheit, die mit dem Ersten Weltkrieg auch in die Kunst einzieht.

DIE FURCHE: Die Vernetzung der MAK-Bestände mit der Moderne ist Ihnen offensichtlich ein großes Anliegen …

Thun-Hohenstein: Die Berührungspunkte zwischen Neu und Alt sind für mich höchst spannend. Aber auch in den Bereichen der Gegenwartskunst, des Designs und der Architektur von heute werden wir vieles machen. Es wird im kommenden Jahr etwa eine große Ausstellung zeitgenössischer Kunst aus Istanbul geben genauso wie eine Schau, in der es um die derzeit entstehende autochthone Architektur in Ostasien gehen wird. In einer anderen Schau wird dagegen zeitgenössisches Fahrraddesign zu sehen sein. Geplant ist auch ein großes Historismusprojekt, in das zeitgenössische Künstler eingebunden sind.

DIE FURCHE: Geplant ist für 2014 auch eine "Europäische Triennale für positiven Wandel“. Was wird das werden?

Thun-Hohenstein: Die positive gesellschaftliche Weiterentwicklung angesichts gesellschaftlicher, ökologischer und ökonomischer Krisen im Spiegel der europäischen Kunst und Architektur soll hier mit den Mitteln der digitalen Modern in der Form einer Großausstellung zelebriert werden.

DIE FURCHE: Bereits im kommenden Jahr soll erstmals der "Schindler Award for Art and Architecture“ vergeben werden.

Thun-Hohenstein: Vielleicht kommt der Preis auch erst 2014. Es wird jedenfalls ein Architekturpreis für die digitale Moderne sein. Verbunden mit dem Namen von Rudolph Schindler, dessen architektonisches Werk heute neue Wertschätzung erfährt. Vergeben wird dieser Preis in Los Angeles …

DIE FURCHE: … wo das MAK ja eine von mehreren Dependancen hat. Sind hier Änderungen geplant?

Thun-Hohenstein: Los Angeles werden wir wie unsere anderen Außenstellen wie gehabt weiterbetreiben inklusive unseres Stipendiaten-Programms. Ein großes Fragezeichen schwebt nur über dem derzeit geschlossenen MAK-Tower, den wir unbedingt weiter mit zeitgenössischer Kunst bespielen wollen. Das Äußere des Turms soll unangetastet und somit in seiner Anmutung unangenehm bleiben und auch in seinem Inneren nicht durch ein Café "versüßt“ werden.

DIE FURCHE: Sie haben viele Pläne. Lässt sich das alles finanzieren?

Thun-Hohenstein: Das ist eine berechtigte Frage. Für die Triennale muss ich noch einiges Geld auftreiben. Vom Kulturministerium haben wir dankenswerter Weise Investitionsgelder in der Höhe von 3,5 Millionen Euro zugesagt bekommen.

DIE FURCHE: Ganz kann ich Sie auch nicht mit der Kritik des Rechnungshofes am MAK verschonen: etwa dass mehr als 6000 Objekte in der Zeit Ihrer Vorgänger verschwunden sein sollen.

Thun-Hohenstein: Das MAK lässt im Umgang mit seinen Beständen große Sorgfalt walten. Aus den nicht immer ideal aufeinander abgestimmten unterschiedlichen Inventarisierungssystemen, mit denen unsere mehr als 400.000 Objekte erfasst sind, ergeben sich diese Differenzen. Verluste hat es aber sicher in den Weltkriegen bzw. Nachkriegszeiten gegeben. Das haben wir auch dem Rechnungshof mitgeteilt, dessen endgültiger Bericht in den nächsten Wochen zu erwarten ist.

DIE FURCHE: Sie werden sicher auch nichts zu den Vorwürfen bezüglich langer und teurer Dienstreisen Ihres Vorgängers sagen wollen …

Thun-Hohenstein: Das MAK wird in meiner Direktion sicher wesentlich schlanker operieren. In der Aufteilung der Mittel wird die Direktion künftig jedenfalls wesentlich weniger brauchen als bisher.

DIE FURCHE: Und die Geburtstage Ihrer Mutter werden Sie mit Sicherheit nicht im MAK feiern?

Thun-Hohenstein: Davon können Sie ausgehen.

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