Graue Eminenz der ORF-Kandidaten

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Wenn es unter den Kandidaten für die ORF-Spitze eine graue Eminenz gäbe, dann wäre Gerhard Zeiler die ideale Besetzung dafür: Seit Jahr und Tag wird der derzeitige Chef der RTL Group immer dann ins Spiel gebracht, wenn das heitere Kandidatenraten für die ORF-Generaldirektion beginnt. Nachdem sich Alexander Wrabetz vor Ostern erklärt hat, und also für eine weitere Amtszeit kandidieren will, schien das Match, das in realiter ja erst am 9. August laufen wird, beinahe schon gelaufen. Wrabetz hat, so alle Auguren, Finanzchef Richard Grasl, gemeinhin als Mann Erwin Prölls in der Chefetage des Küniglbergs apostrophiert, mit im Team, dem überdies hoch angerechnet wird, die Staatsanstalt aus den roten Zahlen gebracht zu haben.

Doch gerade die Lufthoheit an der ORF-Spitze ist bekanntlich seit jeher der politischen Farbenlehre geschuldet. Und deshalb wird auch fröhlich gemunkelt, dass die (derzeitige) bürgerliche Minderheit an einer Koalition schmiede, um eben Gerhard Zeiler an die ORF-Spitze zu hieven. Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass der österreichische Medienmanager auch kandidiert. Zuletzt brachte die Presse diese Variante wieder ins Spiel. Und auch dass Zeiler in den nächsten Wochen mehrere Auftritte in Österreich absolvieren wird (so spricht er am 30. Mai bei der Klausur des "Verbandes Österreichischer Zeitungen“ über die "Zukunft des Fernsehens“) gibt den Gerüchten weitere Nahrung.

Die Konstellation - eine bürgerliche, stark auf den öffentlich-rechtlichen Charakter des ORF pochende Mehrheit für Zeiler - wäre dennoch ein Treppenwitz der Geschichte: Denn es war bekanntlich Gerhard Zeiler, der als ORF-General zwischen 1995 und 1998 die Anstalt in Richtung Privatfernsehen trimmte: Das heutige Programm ORF eins als quasi-kommerzielles Standbein ist eine Hinterlassenschaft der Ära Zeiler. Außerdem hat Zeiler eine für Österreich klassische Parteisekretär-Karriere hinter sich - und zwar im Umfeld der Sozialdemokraten: Der rote Zeiler nun auf einem schwarzen Ticket an die ORF-Spitze - das wäre wohl Stoff für süffisante (Polit-)Kommentare. Immerhin hat es Gerhard Zeiler - wie andere Medienmacher aus der Alpenrepublik - beim nördlichen Nachbarn bis an die Spitze des Mediengeschäfts gebracht: Die heimische Karriereschule ist vielleicht doch besser als ihr Ruf.

Der 1955 geborene Zeiler war 1979-86 Pressesprecher von Fred Sinowatz, dem Unterrichtsminister und Bundeskanzler. Danach bekleidete er die Position des ORF-Generalsekretärs, bis ihn 1990 der bekannteste Medienösterreicher in Deutschland, RTL-Chef Helmut Thoma, als Geschäftsführer zum Privatsender TELE 5 holte. Später wechselte Zeiler an die Spitze von RTL 2, ehe er als Generalintendant zum ORF zurückkehrte. Die Grundzüge seines oben skizzierten Umbaus des ORF in "kommerzielle“ (ORF eins, Ö3) und "öffentlich-rechtliche“ Standbeine bilden heute noch die Basis der ORF-Programme.

1998 beerbte Zeiler seinen Mentor Helmut Thoma an der Spitze von RTL in Deutschland. Im Jahr 2003 übernahm er die Führung der RTL Group, den mit 45 Fernseh- und 32 Radiosendern europaweit größten privaten Rundfunkanbieter.

Der Caritas-Präsident und unabhängige ORF-Stiftungsrat Franz Küberl würde eine Zeiler-Kandidatur jedenfalls begrüßen: "Das würde die Qualität der Debatte um die Zukunft des ORF anheben“, wird Küberl von der Austria Presse Agentur zitiert.

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