Grenzenlos orientierungslos

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John Cameron Mitchells "Shortbus" ist trotz seiner expliziten Sexszenen kein Porno, sondern Gesellschaftskritik.

Die gewollte Provokation ist in jeder Einstellung dieses außergewöhnlichen US-amerikanischen Films allgegenwärtig. Shortbus besteht aus einer überaus großen Anzahl realer Sexszenen, die in ihrer expliziten Anschaulichkeit kaum zu überbieten sind. Freilich, Shortbus ist deshalb noch lange kein Pornofilm. Aber auch, irgendwie. Denn der neue Film von John Cameron Mitchell vereint auch Klamauk mit totaler Ernsthaftigkeit und mit von Gefühl triefenden Szenen. All das, was dem konservativen Amerika unter George W. Bush heilig ist, demontiert der Filmemacher konsequent. Drei homosexuelle Männer stimmen beim sexuellen Akt die amerikanische Hymne an, ein erigierter Penis dient als Mikro, einer der drei steckt sein Gesicht in das Hinterteil des anderen und singt die Zeile "Land of the Free". Ein bisschen fühlt man sich da an Ulrich Seidls Hundstage erinnert.

Shortbus ist zum einen also gewollte Provokation, doch dem Regisseur gelang auch aufrichtige Gesellschaftskritik. Während des Drehs konnten die Darsteller zudem selbst Einfluss auf die Handlung nehmen. Der Musiker Moby war einer der Finanziers des Projekts.

Dreh-und Angelpunkt der Handlung über traumatische Erfahrungen und über die Suche nach dem Glück ist der Nachtclub "Shortbus", den der New Yorker Justin Bond führt (und der sich im Film auch selbst spielt). Dort verkehren Menschen aller sexuellen Ausrichtungen und leben ihre Lust völlig ungeniert aus. Eine Künstlerin etwa, die an enormer Bindungsangst leidet. Ein schwules Pärchen, das die Dienste einer Paartherapeutin braucht. Und eben jene Paartherapeutin, die noch nie in ihrem Leben einen Orgasmus hatte.

Voyeure kommen trotz der vielen Sexszenen nicht auf ihre Kosten. Denn der Film verzichtet auf Close-ups und spekulative Bilder. Shortbus ist eher eine Parodie auf Pornofilme - und eine Parodie auf das US-amerikanische Lebensgefühl nach 9/11. John Cameron Mitchell will uns wohl sagen: Grenzenlos ist in den USA nur die Orientierungslosigkeit.

SHORTBUS

USA 2006. Regie: John Cameron Mitchell. Mit Sook-Yin Lee, Paul Dawson, Lindsay Beamish, PJ DeBoy. Verleih: Stadtkino. 101 Min.

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