Heilslehrer und Scharlatane

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Pan Nalin ist in seinem Dokumentarfilm "Ayurveda" der östlichen Heilkunde auf der Spur.

Indiens traditionelle Medizin heißt bekanntlich Ayurveda und fasziniert, wie so viele östliche Heilswege und Heilkunden, auch im Wes-ten viele Menschen. Das Bedürfnis, mehr zu erfahren, wäre also gegeben. Mit Pan Nalins neuem Dokumentarfilm werden freilich vorwiegend Leute viel Freude haben, die längst auf Ayurveda abgefahren sind.

Da wäre ein Ayurveda-Arzt, der die Knochenerkrankung eines Kleinkindes in vielen Sitzungen mit viel Geduld und Methoden, die sich offenbar gut bewährt haben, immer weiter bessert. Da wären aber auch jene Ayurveda-Ärzte, die gemahlene Edelsteine zerreiben, ihren Patienten verabreichen und beteuern, ungezählte Krebspatienten geheilt zu haben.

Kritisch hinterfragt wird hier nichts. Weder das blinde Vertrauen in Gurus, ob sie noch in einer alten Tradition stehen oder einfach einen vielversprechenden Geldquell entdeckt haben, noch jenes in die alten Texte. Ehrfürchtig blättert ein Guru in einer alten Sammlung in Sanskrit geschriebener Anweisungen. Wir erfahren, wie schwierig es sei, sie zu lesen und zu ordnen, aber keine Einzelheiten über den Inhalt und nichts über die Schwierigkeit, die Spreu des Aberglaubens und Irrtums vom Weizen alten medizinischen Wissens zu sondern. Wie dumm die vielgepriesenen arabischen Ärzte doch gewesen seien, hätten sie doch Schimmel von Kamelsätteln auf Wunden gelegt, konnte man noch im 19. Jahrhundert lesen. Nach der Erfindung des Penicillins standen die alten Araber plötzlich alles andere als dumm da. Und in Europa kam manche Innovation der alten Kräuterweiblein wieder zu Ehren. Aber deshalb greifen wir ja nicht mehr zu gekochten Kröten oder "Mumiae", dem zerriebenem Material ägyptischer Mumien (theoretisch könnte auch darin Interessantes schlummern). Indien ist aus vielen Gründen auf seine überkommene Medizin angewiesen, aber von der grundsätzlich positiv gestimmten, aber kritischen Sichtung der ayurvedischen Traditionen offenbar noch weit entfernt. Im Film ist keine Rede davon, er dient offensichtlich völlig anderen, wohl konkreten Interessen.

Man hört darin auch kein Wort über die in Indien oft besonders enge Nachbarschaft von altem Wissen und neuer Geldgier. Auch die Interviews mit zwei westlichen Ayurveda-Ärzten, einen im korrekten Anzug in Athen und einem indisch behemdeten in New York, dienen, statt der Information, vor allem dem Selbstlob.

Da wäre allerdings auch noch jener Ayurveda-Heiler, der im indischen Dschungel zu geeigneter Stunde Rinde eines bestimmten Baumes absäbelt und dann einem jeden in der schier endlosen Schlange von Patienten, die an ihm vorbeizieht, ein Stückchen davon verabreicht. Dazu bekommt in den ungefähr fünf Sekunden, die er jedem widmet, manchen auch zehn, anderen gerade drei, die eine oder andere Anweisung, dies oder jenes zur Rinde zu essen, dies oder jenes zu tun oder zu lassen. Der Gedanke an die wundertätigen Urinbeschauer, denen manche unserer eigenen ländlichen Altvorderen vertrauten, drängt sich auf. Diese einzige Szene des Films bietet Denkanstöße, wenn der Heiler erklärt, Geld sei für ihn völlig bedeutungslos, während Patient auf Patient sein Scheinchen überreicht.

Der Film behandelt Glaubwürdiges und Fragwürdiges mit Leichtgläubig-keit gleichgewichtig und wird damit auch den Interessen der Seriösen ebenso wie der Scharlatane in gleicher Weise gerecht.

AYURVEDA - Ayurveda: Art of Being. Indien 2001. Regie: Pan Nalin, Natasha de Betak. Kamera: Serge Guez. Drehbuch: Pan Nalin. Verleih: Filmladen. 102 Min.

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