Heldin in der Ukraine, Hassobjekt in Russland

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Laut Anklage soll sie für den Tod zweier russischer Journalisten im Kriegsgebiet in der Ostukraine verantwortlich sein. Seit einer Woche steht die ukrainische Kampfpilotin Nadija Sawtschenko in Russland vor Gericht - es drohen ihr 25 Jahre Haft. In dem kleinen Gerichtssaal in der südrussischen Stadt Donezk - nicht zu verwechseln mit der ostukrainischen Großstadt Donezk - wird ein großer Stellvertreterkrieg ausgefochten: Vielmehr als um Sawtschenkos Rolle an dem besagten Julitag 2014 gehe es darum, Sawtschenko stellvertretend für die gesamte Ukraine in die Knie zu zwingen und zu bestrafen, kritisiert ihr russischer Anwalt Mark Feigin, der schon die Putin-kritische Band "Pussy Riot" vor Gericht verteidigt hat.

Über ein Jahr lang befand sich die 34-Jährige in Untersuchungshaft in Moskau - über 80 Tage lang hungerte sie sich aus Protest auf 46 Kilo herunter. Nicht einmal ihren Anwälten war im Juli der Verbleib Sawtschenkos klar. Sie habe schon ihr Testament geschrieben, erklärte sie in einem Interview. "Der Prozess wurde in die südrussische Provinz verlegt, um der Weltöffentlichkeit den Einblick zu erschweren, aber es geht nur mit politischem Druck aus dem Ausland", glaubt ihre Schwester Vera. Ihre letzte Hoffnung sei ein Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine. Indessen kam es auf Twitter unter dem Titel "Save Our Girl" zu 15.000 Tweets, die Sawtschenkos Freilassung fordern. Für russische Medien ist die einzige ukrainische Kampfpilotin mit dem Kurzhaarschnitt ein gefundenes Fressen: Als "Satans Tochter" und "Mordmaschine im Rock" wurde sie angefeindet und pathologisiert.

Trotz Inhaftierung machte Sawtschenko politische Karriere: Die Partei von Ex-Premier Julia Timoschenko, die selbst vor der Maidan-Revolution lange inhaftiert gewesen war, setzte sie im Wahlkampf im vorigen Herbst auf den ersten Listenplatz. Wenige Wochen später wurde die nunmehrige Abgeordnete Sawtschenko Mitglied der ukrainischen Delegation im Europarat. Zu ihrem Prozess hat die EU einen Beobachter entsandt. Die OSZE verfasste inzwischen eine Resolution zu "illegal festgehaltenen ukrainischen Bürgern in der russischen Föderation". Denn Sawtschenkos Schicksal ist kein Einzelfall: Auch gegen den Filmregisseur und Putin-kritischen Krim-Russen Oleg Sentsow hat nach langer Inhaftierung in Moskau kürzlich der Prozess im Süden Russlands begonnen. In seinem Fall lautet die Anklage auf "Terrorismus" - ein Gummiparagraf in Putins Russland.

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