Ideales Ziel Hiroshima

Werbung
Werbung
Werbung

Bis Ende Juli 1945 hatten amerikanische Bombenflugzeuge fast jede größere japanische Stadt in Trümmer gelegt - außer Hiroshima. In der Stadt kursierte deswegen das Gerücht, die Mutter von us-Präsident Harry S. Truman werde in der Stadt gefangen gehalten, und nur deswegen sei Hiroshima noch nie bombardiert worden. In Wahrheit, schreibt der britische Journalist Stephen Walker in seinem Buch "Hiroshima - Countdown der Katastrophe", hatte man in den usa der Stadt ein anderes Schicksal zugedacht: "Seit Anfang Juli wurde Hiroshima bewusst für einen Atomschlag aufgespart. Kein amerikanischer Bomber durfte die Stadt behelligen."

Soloauftritt für "Little Boy"

Hiroshima war für amerikanische Politiker und Militärs das ideale Ziel: Mit ihren Hafenanlagen und militärischen Einrichtungen war die Stadt von japanischer Armee ausreichend besetzt, um keine Skrupel aufkommen zu lassen. Zudem war Hiroshima "ein günstiges Radarziel und so groß, dass ein beträchtlicher Teil der Stadt erheblich beschädigt würde". Zum anderen, heißt es im Protokoll der Sitzungen des Zielauswahlkomitees, war die Stadt "von Hügeln umgeben, die wahrscheinlich einen Fokussierungseffekt bewirken, der die Detonationswucht erheblich verstärken dürfte".

Die Idee, dem Atombombeneinsatz einen Brandbombenangriff folgen zu lassen, wurde schnell verworfen: "Die Bombe brauchte einen Soloauftritt. Vermischte man ihre Auswirkungen mit denen eines Brandbombenaufgriffs, konnte niemand mehr sagen, welche Wirkung woher rührte." Und das hätte der eigentlichen Intention widersprochen, die laut Zielauswahlkomitee darin bestand, "den Ersteinsatz so spektakulär zu gestalten, dass die Bedeutung der Waffe international erkannt wird".

"So etwas Großartiges!"

Am 5. August 1945 gibt us-Präsident Harry S. Truman den Befehl zum Abwurf der Bombe. Die Besatzung des B-29-Bombers "Enola Gay" startet auf der Insel Tinian. Paul Tibbets, der Kommandant des Fliegers, kennt auch 60 Jahre nach dem Abwurf der Atombombe keine Reue: "Ich wusste, wir tun das Richtige. Ich dachte, wir werden viele Menschen töten, aber, bei Gott, auch viele Leben retten, weil wir nicht (in Japan) einmarschieren müssen", sagt der 90-Jährige. "Ich würde nicht zögern, wenn ich noch einmal die Wahl hätte."

Am 6. August 1945 um 09:15:15 Uhr Guam-Kriegszeit wird die "Little Boy" genannte Atombombe abgeworfen - 44 Sekunden später detoniert sie 580 Meter über der Stadt. In der ersten Milliardstelsekunde erreicht die Temperatur am Detonationspunkt 60 Millionen Grad - 10.000-mal heißer als die Oberfläche der Sonne. Der Lichtblitz dehnt sich über die Stadt aus, gefolgt von einer gewaltigen Druckwelle. Von den 350.000 Bewohnern sterben auf einen Schlag mehr als 70.000 Menschen. Bis Ende Dezember 1945 erhöht sich die Zahl der Toten auf 140.000. "So etwas Großartiges hat es noch nie in der Geschichte gegeben", wird Präsident Trumans erste Reaktion nach Abwurf der Bombe zitiert. WM

Buchtipp:

HIROSHIMA

Countdown der Katastrophe

Von Stephen Walker

Verlag C. Bertelsmann, München 2005, 400 Seiten, geb., e 19,90

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung