In Der Gosse der Gesellschaft

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Quotengeilheit (eine knappe Million ließ sich hierzulande vor den TV-Schirmen ein Jahr danach noch einmal rühren), Sensationsheische etc.: Einem Stammtisch-Medienkritiker könnten noch mehr unfreundliche Attribute einfallen, um den vom ORF verbreiteten Auftritt von Natascha Kampusch abzuqualifizieren. (Wir unterstellen, dass besagter Stammtisch-Welterklärer den Montagabend natürlich auch mit ORF 2 verbracht hat, denn man muss ja gesehen haben, worüber man sich echauffiert.)

Aber abgesehen von einigen seltsamen Ideen von Interviewer/Regisseur Christoph Feurstein - etwa die minutenlangen Passagen, in denen er und Kampusch mittels in der Hand gehaltenen Videokameras kommunizieren - wahrte auch die ORF-Reisebegleitung nach Barcelona den nötigen Respekt. Und der Zuschauer erfuhr viel Empörendes: Die Mutter Kampuschs gibt in ihrem eben erschienen Buch Dinge preis, die eine Tochter der Mutter erzählt hat, die sie aber nicht in einem Buch lesen will. Der Vater bestellt Fotografen, wenn die Tochter zu Besuch kommt. Bei einem Lokalbesuch sind "zufällig" Bild-"Journalisten" da, zaubern Natascha Kampusch - fürs Foto - einen "Freund" an den Hals und versprechen, die Bilder nicht zu veröffentlichen, wenn sie einem Boulevardblatt dafür ein Interview gibt …

Ja, Medien sind die Gosse der Gesellschaft. Aber es sind auch Medien, die das ans Licht bringen: Wenn es einen "öffentlich-rechtlichen" Wert der Geschichte gibt, dann ist es jener, diese Zusammenhänge offenzulegen. Das montägliche Thema spezial hat diese Aufgabe mit Anstand und mit durchaus adäquaten Mitteln gemeistert.

Und wenn Kampuschs Geschichte da doch ein wenig gar in ihrem Sinn "inszeniert" war? Vielleicht. Es hat aber auch der Zuschauer eine Holschuld, sich so zu informieren, dass er das Gezeigte nicht für die ganze Wirklichkeit hält.

otto.friedrich@furche.at

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