In der Lorbeergruft

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Die zweite Staffel der Casting-Show Starmania startet am Freitag. Licht und Schatten des Star-Rummels behandelte eine Medientagung in Salzburg.

Sie singt vom "Grabgeruch der Lorbeergruft". In Schwarz gekleidet, das Gesicht schwarz geschminkt und verfolgt von einem schwarzen Schatten, fragt die Schülerin singend und tanzend, warum sie keine Chance auf dem Parkett von Starmania hat. "Starmania ist ein Wettbewerb", und "Pop hat nicht viel mit Wahrheit zu tun", entgegnet ihr Tobias Krause, der Leiter der ORF-Castingshow. Diese Antwort erzürnt die bei der letztwöchigen Starmania-Medientagung im Bildungszentrum St. Virgil in Salzburg zahlreich anwesenden Schülerinnen und Schüler. Bei Starmania würden Jugendliche zur Belustigung "öffentlich exekutiert", werfen sie Krause vor. Außerdem huldige die Show dem Zeitgeist. Das sei bei einem öffentlich-rechtlichen Sender "nicht akzeptabel".

Die Jugend zurückerobert

Die Kritik der Schüler an Starmania passt so gar nicht zum Bild, das der Chef der ORF-Abteilung Innovation in seinem Referat zeichnet: "Mit Starmania", resümiert Krause, "hat der ORF die Jugend zurückerobert." Fast 80 Prozent der Österreicher hätten den Singwettbewerb zumindest einmal gesehen. Wobei der Maturanten- und Akademikeranteil unter den Zusehern außerordentlich hoch sei, rechnet Krause vor. Geradezu ins Schwärmen gerät der Starmania-Chef, wenn er vom "großartigen Impuls für die österreichische Musikindustrie" spricht, den der Talente-Wettbewerb aussendet.

Elisa Zsivkovits hat es bei der ersten Starmania-Runde bis ins Finale der letzten zwölf geschafft. Wenn sie noch einmal an den Start gehen könnte, würde sie vieles anders machen: "Ich würde von Anfang an schleimen, denn Ehrlichkeit und Authentizität sind keine Werte, die bei Starmania zählen." Zuviel will Zsivkovits den ORF, an den sie vertraglich gebunden ist, jedoch nicht kritisieren: "Ohne ORF wären wir gar nichts. Er hat uns zu dem gemacht, was wir sind."

Für Ingrid Paus-Hasebrink sind die zwischen den Jungstars - "die oft gerade erst 16 Jahre alt sind" - und dem ORF ausverhandelten Verträge nicht unproblematisch. Generell kritisiert die Professorin für audiovisuelle Kommunikation an der Universität Salzburg die "kommerzielle Überfrachtung" von Starmania: "Da geht der ORF zu weit." Unterstützt wird sie in dieser Kritik von Werner Reuß, dem Leiter des Bildungskanals Bayern alpha. Starmania ist, attestiert Reuß, "schlicht und einfach ein riesiges Geschäft". Der Bayern-alpha-Manager ist froh, "dieses Programm nicht machen zu müssen" und als öffentlich-rechtlicher Sender würde er "im Zweifelsfall darauf verzichten".

"Wir müssen die Jugend erreichen, sonst sehen wir alt aus", hatte zuvor Starmania-Chef Krause postuliert. Viele Schülerinnen und Schüler, die während Reuß' Ausführungen zum Programm von Bayern-alpha den Vortragssaal verlassen, bestätigen indirekt den ORF-Vertreter. Starmania lockt und provoziert im positiven wie im negativen Sinn. Da kann ein Bildungskanal - auch wenn er außerordentlich engagiert gemacht wird - nicht mithalten.

Ingrid Paus-Hasebrink findet grundsätzlich nichts Schlechtes daran, wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender solche Formate produziert. "Der ORF soll sich jedoch der Verantwortung bewusst sein, die er übernimmt", reklamiert die Medienexpertin, die das frühere ORF-Erfolgsmodell Taxi Orange wissenschaftlich untersucht hat. Entscheidend sei, meint PausHasebrink, "wie solche Sendungen gemacht werden".

Reine Geschäftemacherei

Erneut stößt sie sich an der "überdrehten Geschäftemacherei". Es seien nämlich die "formal schlechter gebildeten Fans", zeigen Paus-Hasebrinks Forschungen, die dem Kaufzwang erliegen: "Heute genügt es nicht nur, über eine Sendung zu reden. Heute muss man so viel wie möglich davon besitzen."

Das Rezept für Starmania haben die ORF-Programmgestalter den Jugendwertestudien entnommen, erklärt Tobias Krause. Musik, Fernsehen, SMS und Internet stehen auf der Prioritätenliste von Jugendlichen ganz oben. Diese Zutaten vermixt, ergeben Starmania. So einfach kann Erfolg sein. Und dem können auch einige der zuvor außerordentlich kritischen Schülerinnen nicht widerstehen. Sie fragen Elisa Zsivkovits nach einem Autogramm. Vergessen scheint der "Grabgeruch der Lorbeergruft".

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