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Ende September eröffnete ORF 2 mit Filmen über Hermann Nitsch und Kurt Zein seine neue Sonntagnacht-Themenreihe "Unbequeme Österreicher".

Gierig greifen die blutverschmierten Hände nach den Innereien des Tieres. Entblößte Menschenkörper werden mit Blut übergossen: Bekannte Bilder des "Orgien- und Mysterientheaters" von Hermann Nitsch - mit solchen Aufnahmen wurde Ende September die ORF-Dokumentationsreihe "Unbequeme Österreicher" eröffnet.

Neue Formen

Unkonventionelle Themenabende plant der ORF für seine Sonntagnacht-Leiste auf ORF 2. Den europaweit sehr erfolgreichen Trend zur kreativen Dokumentation will die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt nun ebenfalls aufgreifen. Das Ziel: umstrittene Künstler auch von einer unbekannten Seite zu zeigen. Franz Grabner, Dokumentarfilm-Verantwortlicher in der Kulturabteilung des ORF-Fernsehens, meint: "Wir porträtieren Österreicher, die Spannendes vollbracht haben, und würdigen diese Personen in ungewöhnlichen Dokumentationen." Während die öffentliche Wahrnehmung oft noch ein durchwegs negatives Bild der "Nestbeschmutzer" hat, möchte die neue Sendereihe die kontroversen Österreicher unter einem ganz anderen Blickwinkel betrachten. Den Ausgangspunkt bildet die Frage: Wer sind Hermann Nitsch, Michael Haneke oder Cornelius Kolig wirklich?

Bereits das erste ausgestrahlte Porträt von Hermann Nitsch führte den Zuseher auf neue Wege. Nitschs italienisches Domizil, sein Schloss im Weinviertel und die zentralen Wirkungsstätten des Künstlers spannen den Hintergrund der Dokumentation auf. Gleich mehrere Besonderheiten zeichneten den Film aus. So fehlte etwa jeglicher Kommentar. Grabner bezeichnet dieses Stilmittel als "besonders wichtig" und möchte dadurch "mehr Authentizität" erreichen, die beim klassischen Porträt vielerorts vermisst werde. Nicht die Produzenten übernähmen so die sprachliche Darstellungsarbeit, sondern die betreffende Person präsentiere sich selbst. Auch in punkto filmische Stilmittel greift man zu neuen Mitteln: Schnelle Schnitte sollen einen gut fassbaren Eindruck lang andauernder Ereignisse vermitteln. Das "6-Tages-Spiel" beispielsweise wurde als Abfolge vieler sehr kurzer Bildelemente vorgeführt und kann somit als ein Ganzes wahrgenommen werden.

Sinnlich intensiv

Unter der Regie von Anita Natmeßnig zeigte die Kamera der Nitsch-Dokumentation keinerlei Scheu: Rituale werden dem Zuseher detailgetreu näher gebracht, freilich nicht ohne dabei Tabus zu brechen. Sinnlich intensiv auch die Gebiete abseits der Malerei: Hermann Nitsch am reichlich gedeckten Heurigentisch unter Freunden oder im Kaffeehaus mit einem Galeristen. Es ist ein zugänglicher Nitsch, einer, der ganz und gar nicht unbequem erscheint.

In den kommenden Sendungen, so Grabner, soll diese Linie beibehalten und die "Lust am Schauen" geweckt werden. Weiterhin wird sich die Darstellungsform auf reine Beobachtung beschränken, möglichst ohne zu interpretieren und Wertungen abzugeben. Der Arbeitsprozess des jeweiligen Künstlers und die damit einhergehenden Entwicklungsstufen seines Schaffens erlauben einen bisher unbekannten Einblick in die "Innenwelt" der betreffenden Person und geben Aufschluss über die Persönlichkeit.

Mehr Unbequemlichkeiten

Eine zweite Sendung beschäftigte sich mit Kurt Zein, dessen Erfindergeist sich mit seinen ungewöhnlichen Drucken gleich hinter die Schüttbilder des Hermann Nitsch einreiht und die Lust auf mehr weckt: Michael Haneke soll zusammen mit Günter Brus, Cornelius Kolig und dem Krimi-Autor Wolf Haas bis Jahresende für Gesprächsstoff sorgen. Die Protagonisten erhalten die Gelegenheit - getreu der Idee hinter der Reihe - sich selbst ins rechte Licht zu rücken. In allen kommenden Produktionen sollen schöpferisch unkonventionelle Persönlichkeitsbilder entstehen, die kulturell interessiertes Publikum ansprechen. Grabner wünscht sich, dass ein breites Spektrum an Zusehern für die "Filme mit Gehalt" gewonnen wird.

Neben Experimentierfreudigkeit und Unbefangenheit gegenüber den dargebotenen Themen wird dem Fernsehzuschauer noch eine weitere Qualität abverlangt: Durchhaltevermögen. Der späte Sendeplatz in der Sonntagnacht dürfte aber auch das einzig wirklich Unbequeme an dieser neuen Form der Dokumentation sein.

DIE NÄCHSTEN THEMENABENDE DER REIHE "UNBEQUEME ÖSTERREICHER":

Sonntag, 21. November, ab 23.00, ORF 2,

über den Filmregisseur Michael Haneke,

Sonntag, 5. Dezember, ab 23. 00, ORF 2,

über den Aktionisten Günter Brus und den Maler Cornelius Kolig.

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