Jedermann neu

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JEDERMANNS FEST

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JEDERMANNS FEST

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Der berühmte Wiener Modeschöpfer Jan Jedermann bekommt vom Tod eine letzte Frist zugestanden, um seine bisher großartigste Modenschau mit einem rauschenden Fest zu feiern. Aber anstelle des erwarteten Triumphs erfährt er seine Einsamkeit. In Fritz Lehners Film vom reichen sterbenden Menschen spielt zwar Klaus Maria Brandauer, der bereits in Salzburg den Jedermann verkörpert hat, die Hauptrolle, aber die Anlehnung an das Theaterstück von Hofmannsthal ist nur durch die allgemeine Thematik gegeben. Der katholisch religiöse Hintergrund wird ersetzt durch Machtstrukturen ohne metaphysischen Ausweg, und die Machtsphäre Jedermanns wird vom finanziellen auf den medialen Bereich verlegt. Während Jedermann verzweifelt, stellen sich die Models, die mit ihm feiern, nur eine Frage: Wer wird sein neues Gesicht? In symbolisch und ästhetisch aufgeladenen Bildern wird beeindruckende drei Stunden lang eine schöne, aber hohle Welt ausgebreitet. Für unter 16jährige dürfte der Film zu langatmig sein.

Eine Modenschau auf dem Dach der Wiener Oper. Der Modeschöpfer Jan Jedermann (Klaus Maria Brandauer) beobachtet sie von einem Ort hinter der Bühne und gleichzeitig über einen Videomonitor. Die Models treten auf, Schnitt und Musik erinnern an den langsamen Beginn eines amerikanischen Thrillers. Aber weit gefehlt, es handelt sich um eine Adaption des "Jedermann" Hugo von Hofmannsthals, und die Klimax der Eingangsszene zielt auf den Moment, da die Salome darstellende Tänzerin ihre Schleier fallen lässt und sich als alte Frau entpuppt.

Gleichwohl wird die langsame Spannung und die symbolische Schwere der Eingangsszene beibehalten; wir betreten die Welt, in der sich der Modeschöpfer real und in seinen Phantasien inszeniert. Jedermann besitzt hier zwar auch die Macht des Geldes, mehr aber noch verfügt er über die Macht der Bilder. Er will weniger besitzen, als dass er verkaufen will, sich verkaufen.

Es ist eine neue Werbekampagne in Vorbereitung, und die Models, die ihn umgeben, warten mit Spannung darauf, wer das neue Gesicht sein wird. Unausgesprochen aber doch klar ist, dass damit auch eine sexuelle Beziehung verknüpft ist. Dem Reiz der medialen Macht erliegen alle, die mit Jedermann in Berührung kommen - auch der Vater, dem Lehner die Position gibt, die bei Hofmannsthal die mahnende Mutter innehat. Aber im Gegensatz zur weisen und ruhig dem eigenen Tod entgegensehenden Mutter bleibt der Vater den Geschehnissen hier fern, wobei es nur gekränkte Eitelkeit zu sein scheint, die aus dem Verhalten und den Worten des Vaters spricht. Es ist ein Verdienst der Adaption von Fritz Lehner, dass der Egomanie Jedermanns kein wahrhaftes Dasein gegenüber gestellt wird. Der katholische Hintergrund wird so nicht in das Ideal des einfachen Landlebens oder ähnliches verlagert, sondern geht tatsächlich verloren. Auch wenn Jedermann in der Nacht, die er dem Tode abgetrotzt hat, erkennen muss, dass er unverstanden und einsam ist, so scheint es doch niemanden zu geben, dem es anders gehen könnte.

Den metaphysischen Schwebezustand inszeniert Lehner in ästhetisch ungebrochenen Bildern aus der Welt der schönen Models, die über die provokativen Sujets, mit denen Jedermann zu werben pflegt, ebenso schön Schrecken und Armut einfangen. Da sowohl dies, als auch die symbolische Befrachtung unmittelbar mit der Persönlichkeit Jedermanns zusammenhängt, hat Lehner für seine Interpretation durchaus einen adäquaten Rahmen gefunden.

Im Vorwort zu seiner Bearbeitung des alten Stoffes schrieb Hugo von Hofmannsthal: "Vielleicht geschieht es hier zum letzten Mal, vielleicht muss es später durch die Zugehörigen einer künftigen Zeit nochmals geschehen." Wie wertvoll für eine Zeit eine Bearbeitung des Stoffes ist, mag dahingestellt bleiben, Lehners in symbolisch und ästhetisch aufgeladenen Bildern ausgebreitete Adaption ist jedenfalls beachtenswert. Cai Mosich

Österreich / Deutschland / Frankreich 1996 (2001) - Produktion: Wega Filmproduktion - Produzent: Michael Katz / Bernhard Schmatz - Verleih: Filmladen - Länge: 173 Min. - Regie: Fritz Lehner - Buch: Fritz Lehner - Kamera: Gernot Roll / Wolfgang Treu - Schnitt: Tanja Schmidbauer / Juno Sylva Englander - Musik: Peter Ponger - Darsteller: Klaus Maria Brandauer, Juliette Greco, Sylvie Testud, Redbad Klynstra, Susan Lynch

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