Journalisten als "Insider"

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Wenn Zeitungen den Kauf bestimmter Aktien empfehlen, ist Vorsicht geboten.

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Wenn Zeitungen den Kauf bestimmter Aktien empfehlen, ist Vorsicht geboten.

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Paukenschlag in der deutschen Medienszene: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft durchsuchte die Redaktionsräume der Finanzzeitung Der Aktionär. Chefredakteur Bernd Förtsch und sein Stellvertreter werden verdächtigt, in Berichten Aktienkurse gezielt durch Empfehlungen in die Höhe getrieben und damit Anleger um Millionen geprellt zu haben. Auch wenn die beiden alles abstreiten, schlägt die Causa hohe Wellen. Denn es ist heuer bereits das zweite Mal, dass Behörden gegen mutmaßlichen Insiderhandel von Journalisten vorgehen. Bereits im Juni wurde gegen einen Redakteur der Wochenzeitung Focus Money ermittelt.

Gerade bei Finanzjournalisten ist die Trennung von Beruf- und Privatgeschäften wichtig. Immer wieder tauchen Vorwürfe auf, manche Medienleute würden nicht für die Interessen der Leser, sondern für die eigenen Taschen schreiben. Der Betrug läuft nach der Masche, "Vorkaufen, Anpreisen und Verkaufen" ab: Zuerst deckt sich der Täter privat mit Aktien eines kleinen, marktengen Unternehmens ein, um sie dann in einer "tollen Story inklusive Kaufempfehlung" hochzujubeln. Sind die Aktien kräftig gestiegen, wird Kasse gemacht. Sogar das renommierte Wall Street Journal ist vor solchen Betrügereien nicht gefeit. Star-Kolumnist Foster Winans versorgte zwei Millionen Leser mit heißen Aktientipps. Seine Worte machten Kurse. Diese Macht reichte dem Journalisten nicht. Er wollte aus seinem Einfluss Kapital schlagen und schickte seine Kolumne vor der Veröffentlichung einem Freund weiter. Mit dem zeitlichen Vorsprung verdiente das Gaunerpärchen 480.000 US-Dollar (rund 7,2 Millionen Schilling).

In Österreich fanden Bundeswertpapieraufsicht und Presserat bislang noch keinen Grund zum Einschreiten, obwohl es auch hierzulande vorkommt, dass Aktienkurse nach Zeitungsartikeln in die Höhe schießen. Jüngstes Beispiel: Ein Wirtschaftsmagazin hatte berichtet, dass fünf europäische Zigarettenhersteller die "Austria Tabak" kaufen wollen, prompt kletterte der Aktienkurs in den nächsten Tagen um zehn Prozent. Und unmittelbar vor der offiziellen Bekanntgabe der Fusion von Bank Austria und HypoVereinsbank gab es an der Börse auffallend hohe Umsätze.

Rechtlich ist die Situation klar: Insiderhandel ist strafbar. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland kann jemand, der auf Grund seines Berufes exklusive Informationen über ein börsenotiertes Unternehmen hat und sich dadurch einen Vorteil verschafft, bis zu fünf Jahre ins Gefängnis wandern.

Allerdings ist die Einhaltung des Gesetzes nur schwer zu kontrollieren. Bei den Banken werden die Telefongespräche der Börsen-Analysten aufgezeichnet und die von ihnen angewählten Internet-Seiten protokolliert. Damit kann bei Verdacht festgestellt werden, ob während der Dienstzeit Aktien gekauft worden sind.

Solche Kontrollen sind bei Zeitungen unmöglich, sie setzen auf einen Ehrenkodex. In Deutschland untersagte das Handelsblatt ihren Redakteuren den Kauf von Aktien, über die sie selbst berichten. Viel rigoroser ist das Wiener Wirtschaftsblatt. Dort müssen Redakteure bei der Einstellung bekannt geben, ob sie österreichische Aktien besitzen. Bei konkretem Verdacht auf Insiderhandel behält es sich der Chefredakteur vor, in das Wertpapierdepot seiner Leute einzusehen. Presse-Chefredakteur Andreas Unterberger sieht dagegen keinen Anlass für solche Vorschriften, schränkt aber ein: "Ich beobachte die Berichterstattung in der Zeitung sehr genau."

Tatsächlich können noch so strenge Regeln und hartes juristisches Durchgreifen das Problem nicht lösen. Denn jeder, der das Geschehen an der Börse manipulieren will, kann die Aktien über Strohmänner wie Freunde oder Bekannte kaufen. Deshalb rät Michael Zollweg, Leiter der Handelsüberwachung der Frankfurter Börse, Kleinanlegern, besonders vorsichtig zu sein: "Bei direkten Empfehlungen in Anlegermagazinen und Börsenbriefen sollte man aufpassen." Schließlich wären Journalisten ziemlich dumm, wenn sie echte Geheimtipps veröffentlichen, anstatt sie selber zu Geld zu machen.

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