Journalisten-Bücher

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Gudrun Harrers brillante Analyse des Irak-Kriegs spart auch nicht mit Medienkritik. Krieg und Medien - ebenfalls ein Thema in Peter Huemers neuem Buch.

Es gibt Bücher, von denen man gehofft hatte, dass sie nie hätten geschrieben werden müssen. Gudrun Harrers "Kriegs-Gründe - Versuch über den Irak-Krieg" ist solch eines: ein kleines Buch zwar, doch extrem informativ und eine zusammenfassende Sicht der Ereignisse rund um den Irak-Krieg - Stand: August 2003; weiter brennend aktuell, nicht zuletzt, weil sich viele der düsteren Prognosen im Vorfeld des Krieges als viel fundierter erwiesen als der medial verbreitete Optimismus der US-Administration, das Problem Irak mittels Schnell-Krieg lösen zu können.

Dass die (Welt-)Öffentlichkeit auch mit dreisten Lügen in Kriegslaune gestimmt wurde, ist ebenfalls schon ein Gemeinplatz. Dennoch - und das kommt in der medialen Auseinandersetzung oft viel zu kurz - fehlt sachkundige Hintergrundinformation. Genau darum ist es Gudrun Harrer, Außenpolitik-Chefin des Standard und hierzulande die journalistische Irak-Expertin, in ihrem Büchlein zu tun.

"Was Sie immer schon über den Irak-Krieg wissen wollten": Solches bedient das Buch in kompetenter Weise. Harrer ist dabei anzurechnen, dass ihre nüchterne Entlarvung der Fehleinschätzungen und Perspektivenlosigkeiten der US-Politik gleichzeitig jede Exkulpierung von Saddam Hussein und seinen Gesellen ausschließt. Die Erkenntnisse, die das Buch vermittelt, sind in der Substanz wenig überraschend, in den Details aber doch.

Harrer geht ausführlich - und nach intensiven Gesprächen mit den UN-Kontrolloren Hans Blix und Mohamed ElBaradei - den Untersuchungen der Waffeninspektoren nach. Bis heute liegen Beweise für massenvernichtungstaugliche A-, B- und C-Waffen, die Saddam Hussein gehortet hat, nicht vor - und bei Gudrun Harrer findet man die unzähligen Indizien dafür aufgezählt, warum die Suche nach diesem "smoking gun", das den ultimativen Kriegs-Grund liefern sollte, im Sand verläuft.

Die Kunst Harrers besteht auch darin, komplexe technische Zusammenhänge (welche Waffen tatsächlich gesucht wurden, wie diese funktionieren) ebenso knapp analysieren zu können wie die vielschichtigen politischen Vorgänge, die in den Irak-Krieg hineinspielen. In einem Dreischritt ist ihr Unterfangen angelegt: Zunächst beschreibt sie Facts und Fiction zu den Waffen des Irak, dann analysiert sie den Weg zum Krieg, um dann bei den Kriegsgründen anzulangen.

Wie gesagt: Die Grund-Erkenntnisse, die da geliefert werden, sind nicht neu, sie werden aber kompakt und hintergründig untermauert. Harrer selbst versteht ihre Zugangsweise als Abwägen verschiedener Positionen und Sichtweisen - um gerade dadurch einer nüchternen, aber um nichts weniger beklemmenden Einschätzung der Vorgänge das Wort zu reden.

Auch wenn das Buch eine politische Analyse ersten Ranges darstellt, so zeigt es mindestens ebenso einen medienkritischen Impetus. Gudrun Harrer, die Journalistin, versucht durch ihre Darstellung, medialen Gesetzmäßigkeiten und Attitüden der Verkürzung wie der Polarisierung beizukommen. Keine Frage, auch die Medien sind in ihrer Wahrnehmung des Irakkriegs stark zu befragen. So schreibt die Autorin im Vorwort: "Wenn man dreimal geschrieben hat Der Irak hat zwei Dutzend Scud-Raketen', dann sind sie einfach da." Auch solch kritische Distanz zur eigenen Profession trägt zur Glaubwürdigkeit von Harrers Buch bei.

Huemers Herzl-Vorlesung

Krieg und Medien gehört auch in Peter Huemers "Warum das Fernsehen dümmer ist als das Radio" zu den Themen, die den Ex-Club-2-Chef und Ex-Talkmaster umtreiben. Der von Wiens Publizistik-Ordinarius Wolfgang Langenbucher herausgebrachte Sammelband fußt auf der "Theodor-Herzl-Vorlesung zur Poetik des Journalismus", die Peter Huemer 2002 an der Universität Wien gehalten hat.

Huemer erzählt darin über "seinen" Club 2, die legendäre, von 1977-95 ausgestrahlte ORF-Diskussionssendung, und breitet die Philosophie und Grenzen damaliger wie heutiger politischer Gesprächssendungen aus. Dass es mittlerweile in Talkshows immer harmloser zugeht, zeigen im Buch auch Huemer-Essays aus den neunziger Jahren. Doch in der Vorlesung "Von der Macht der Bilder" holt Huemer das Thema weltpolitischer Medienmanipulation herein - etwa mit dem Bild von Fatma Hussein, die am 11. September 2001 als "jubelnde Palästinenserin" um die Welt ging - aber die sich mitnichten über die Toten des World Trade Centers gefreut hat. Huemer schließt - auch in den Beispielen - an den berührenden, kürzlich erschienen Essay von Susan Sontag über die Kriegsfotografie an ("Das Leiden anderer betrachten", vgl. Furche 41, S. 17).

Ein anderes Beispiel, das Huemer bemüht, stammt aus der Propaganda für den ersten Golfkrieg: Da erzählte eine kuweitische Krankenschwester vor den TV-Kameras, wie irakische Soldaten Babys aus Brutkästen auf den Boden legten, sodass diese starben. Nach dem Krieg stellte sich heraus, dass die "Krankenschwester" die Tochter des kuweitischen Botschafters in den USA und das Ganze von einer amerikanischen PR-Agentur gestellt war...

Kriegs-Gründe

Versuch über den Irak-Krieg

Von Gudrun Harrer. Mandelbaum Verlag, Wien 2003. 172 S., geb., e 9,80

Warum das fernsehen dümmer ist als das radio Reden über das Reden in den Medien Von Peter Huemer. Picus Verlag, Wien 2003. 176 Seiten, geb., e 14,90

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