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Ein Symposium in Wien beschäftigte sich mit dem Frauenbild in der - noch wenig erforschten - jüdischen Presse.

Ein Blick in die Presse der Vergangenheit ist nicht bloß eine wichtige Quelle für historische Ereignisse. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Medien einer bestimmten Zeit bietet die Chance, die Gedanken, Ideen und Identitätskonstrukte von damals zu erforschen. Dies gilt im besonderen Maße für die jüdische Presse. "Die jüdischen Blätter waren nicht primär zur Information gedacht, sondern es ging ihnen um die Vermittlung von Bildung und Identität. Sie sind daher eine hervorragende Quelle dafür, wie nationale Identität, wie Wirklichkeit konstruiert wird", weiß Susanne Marten Finnis, Professorin für Deutsch-Studien an der Universität Belfast. Finnis war eine der zahlreichen Expertinnen und Experten, die vergangene Woche bei der Internationalen Sommerakademie des Instituts für die Geschichte der Juden in Österreich referierten. Im Fokus stand das Thema "Frauen und Frauenbilder in der jüdischen Presse".

Propaganda statt Info

Die Erforschung der jüdischen Presse hat noch kaum stattgefunden, ist sich Eleonore Lappin vom Institut für die Geschichte der Juden in Österreich bewusst: "Wir befinden uns in einem ständigen work in progress'." Häufig erschien die jüdische Presse nur komplementär zu den allgemeinen Zeitungen und Zeitschriften - und diente vor allem der Propaganda. Die jüdischen Periodika spiegeln die Debatten innerhalb des Judentums des 19. und 20. Jahrhunderts nicht bloß wieder, sie waren der eigentliche Ort der politischen Auseinandersetzung. Ob Zionisten, Bundisten (die Mitglieder des "Allgemeinen jüdischen Arbeiterbundes") oder Assimilations-Befürworter: Die Repräsentanten der verschiedenen Strömungen wollten nicht bloß Nachrichten vermitteln, sondern aktiv in die Gestaltung des jüdischen Lebens eingreifen und den - zunächst vor allem männlichen - Lesern konkrete Handlungsanweisungen mitgeben. Mit ihren jeweiligen Printmedien fanden sie daher ein Sprachrohr für ihre sozialen und gesellschaftlichen Projekte. Manche Druckerzeugnisse erschienen nur ein paar Wochen, andere konnten sich über Jahre halten. Für einen regelrechten Boom des jüdischen Zeitungswesens sorgte der Zionismus und dessen Gegenbewegungen.

Der Frau wurde vom jüdischen Nationalismus nur eine Nebenrolle zugewiesen: "Der Zionismus ist wie andere Nationalismen maskulin", lautet das Resümee der Bremener Kulturhistorikerin Malgorzata Maksymiak-Fugmann - obwohl das zionistische Ideal unter anderem auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau zum Ziel hatte. In ihrer Untersuchung über die Frauenzeitschrift "Bath Ami", die zwischen 1929 und 1936 in Palästina erschienen ist, zeigte sich aber auch die Zweiteilung zwischen Ost- und Westjudentum. Die Ostjüdin wurde in dieser - an die polnischsprachige Leserin der Diaspora adressierten - Zeitschrift als dem Mann gleichberechtigte Trägerin der neuen aufzubauenden Gesellschaft gesehen, während die Westjüdin keinen Beitrag dazu leisten konnte.

Doppelte Exklusion

Wie schwierig der Spagat zwischen Feminismus und Zionismus war, lässt sich auch in der polnischsprachigen jüdischen Frauenzeitschrift "Ewa" (1928 bis 1933) nachlesen. Während das Eintreten für ein Recht auf Geburtenkontrolle und außereheliche Beziehungen Ausdruck von weiblicher Selbstbestimmung waren, wurden die Frauen andererseits für zionistische Anliegen in die Pflicht genommen. Sie sollten sich sportlich betätigen, um für den Aufbau der jüdischen Heimstätte und als Gebärerin fit zu sein. "Die Journalistinnen der Ewa' lebten eigentlich gerne in Polen, der Zionismus war vielfach nur Propaganda", weiß Katrin Steffen, Mitarbeiterin am Deutschen Historischen Institut in Warschau. Dieses Eintreten für den Nationalismus ist auch auf den Ausschluss der Jüdinnen aus der allgemeinen polnischen Frauenbewegung seit Ende des 19. Jahrhunderts zurückzuführen.

Die doppelte Exklusion als Frau und als Jüdin mündet in ein sehr heterogenes Bild der Identitätssuche zwischen Tradition, Geschlecht und Moderne. So tauchte laut Katrin Steffen in den Debatten über die weibliche Sexualität die Überzeugung auf, dass der Körper der Frau nicht nur ihr selbst, sondern auch der jüdischen Gemeinschaft gehörte. "Die Frau wurde im Dienste des Zionismus sehr oft biologisiert."

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