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60 Jahre "Herder Korrespondenz" - 60 Jahre unverstellte Wahrnehmung.

Den Leitartikeln ist regelmäßig ein Motto vorangestellt. Im September dieses Jahres stammte der Satz von Chesterton: "Man kann wohl den Ort ändern, auf den man zugeht, aber nicht den, von dem man herkommt." Das liest sich nicht nur als Motto eines Heftes, sondern der 60-jährigen Herder-Korrespondenz überhaupt.

Woher kommt, wohin geht diese Zeitschrift, die heute in keiner katholischen Institution im deutschen Sprachraum fehlen darf? Sie sollte ursprünglich Orbis catholicus heißen, anknüpfend an einen Versuch gleichen Namens im Freiburger Verlag Herder in den letzten Kriegsjahren. Die französische Besatzungsmacht, die in Freiburg das Sagen hatte, goutierte den Titel nicht. Eine Korrespondenz, quasi eine Agentur, war einzig statthaft. Das war 1946, und erst einige Jahre später kam der Orbis catholicus zur Ehre eines Untertitels.

Unabhängig-katholisch

Damit ist die Herkunft klar gestellt: unabhängig und von Laien gemacht, aber ohne Wenn und Aber römisch-katholisch. Doch gerade die anfängliche Beschränkung auf Nachrichten und auf die Wiedergabe von Dokumenten förderte eine Qualität der Zeitschrift, der sie bis heute treu geblieben ist: Hier wird objektiv informiert und dokumentiert, und zwar weit über den orbis catholicus hinaus. Erst in den siebziger Jahren - bis 1972 erschienen alle Artikel ohne Autorenangabe - wurde dem Kommentar breiterer Raum gegeben.

Die Herder-Korrespondenz ändert ihre Ausgangsposition nicht, aber sie ist in 60 Jahren deutlich offener geworden. Eine hohe Zeit erlebte sie in der Begleitung des Konzils, dessen Aggiornamento sie verpflichtet geblieben ist. Heute erfährt man aus ihr Authentisches über alle christlichen Kirchen, ebenso über andere Religionen, und man erfährt über die römische Kirche Fakten, die in der üblichen Kirchenpresse gern der Beschönigung zum Opfer fallen. Beides dient der Ökumene und dem Dialog der Religionen in hohem Maß. Dazu gekommen sind mit den Jahren auch politische und gesellschaftliche Analysen mit weltweitem Horizont.

Die traditionelle Verbindung der Verlages Herder mit Österreich hat sich nicht nur in der Tatsache niedergeschlagen, dass zwischen 1952 und 1967 eine eigene Österreich-Ausgabe der Zeitschrift erschien. Ebenfalls im Jahr 1946 wurde im Verlag die Zeitschrift Wort und Wahrheit aus der Taufe gehoben, und der Gründer der Herder-Korrespondenz, Karlheinz Schmidthüs, war bis zu seinem Tod 1972 Redaktionsmitglied von Wort und Wahrheit, gemeinsam mit Otto Mauer und Otto Schulmeister. Als Mauer ein Jahr nach Schmidthüs starb, wurde Wort und Wahrheit eingestellt. 25 Jahre leitete der Tiroler David Seeber die Herder-Korrespondenz bis 1991; und einer der Mitarbeiter ist seit vielen Jahren Fritz Csoklich, langjähriger Chefredakteur der Kleinen Zeitung.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die unregelmäßig erscheinenden Sondernummern Herder-Korrespondenz spezial. "Das unerledigte Konzil" war der Titel eines Heftes 40 Jahre nach Konzilsschluss, ein Titel, der sowohl die Wahrnehmung des Konzilsauftrags, als auch dessen Vernachlässigung zum Ausdruck bringt. Der Papstbesuch in Deutschland gab Anlass für eine gründliche Analyse des deutschen Katholizismus.

Was Sache ist

Und nun, zum Geburtstag, widmet sich Herder-Korres-pondenz spezial der "Renaissance der Religion". Der Untertitel meldet bereits den berechtigten Zweifel an: "Mode oder Megathema?" Thema ist die fragliche Säkularität der Gesellschaft, die sich dank Zivilreligion und Esoterik keineswegs religionslos gebärdet. Gleichzeitig gibt es ein neues Interesse an Religion im Film und in der Literatur, ja sogar in der Philosophie, in der Religion lange Zeit ein unerwünschtes Thema war.

All das bringt freilich den Kirchen keinen Zulauf. Für sie ist der Befund ernüchternd, sofern man sich, wie der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher in der Septembernummer schreibt, "angesichts Weltjugendtag und medialer Papstwirkung schmerzlindernden Illusionen hingegeben haben sollte". Dagegen hilft nur, zur Kenntnis zu nehmen, was Sache ist. Seit 1991 leitet Ulrich Ruh die Herder-Korrespondenz. Er war es, der vor Jahresfrist anlässlich einer Umfrage der Zeitschrift Quart ins Stammbuch schrieb, was das Konzept der Herder-Korrespondenz ausmacht: "Die vordringlichste Aufgabe für die Kirche besteht heute darin, die gesellschaftliche, kulturelle und religiöse Wirklichkeit mit ihren Veränderungen und Brüchen unverstellt wahrzunehmen."

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