Kein Boykott, aber Tibets Fahne hoch!

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Von meiner Tibet-Reise vor einigen Jahren bin ich mit der Überzeugung zurückgekehrt, dass sich aus der Geschichte kein Anspruch Chinas auf Tibet ableiten lässt. Deswegen bin ich erschüttert, aber nicht überrascht über die jüngsten Entwicklungen in Tibet. Es war kein Geheimnis, dass die Olympischen Spiele für die Tibeter ein Anlass sind, auf die Menschenrechtsverletzungen in ihrer Heimat hinzuweisen. Nach Jahrzehnten der Unterdrückung ist die Verzweiflung am "Dach der Welt" ebenso allgegenwärtig wie die Unfreiheit der Tibeter dort.

Gemessen an den tibetischen Opfern in der Vergangenheit (über 150.000 starben allein durch Hinrichtungen, an die 200.000 in Gefängnissen und Arbeitslagern) sind ein paar zerbrochene Fensterscheiben und in Brand gesteckte Autos eine Lappalie. Und selbst dies wäre wahrscheinlich nicht geschehen, wenn man jenen Menschen nicht penetrant desavouierte, der wie kaum ein anderer für Gewaltverzicht und Dialog steht. Die Dämonisierung des Dalai Lama, vom offiziellen China als "Wolf im Schafspelz" bezeichnet, ist eine Unerträglichkeit sondergleichen.

Unerträglich ist auch die Haltung der meisten österreichischen Politiker zu diesem Thema. Bis hinauf zum Bundespräsidenten gibt es nur ein entwürdigendes Buckeln vor der Wirtschaftsmacht China, um nur ja den Handel nicht zu gefährden. Und bei jedem Staatsbesuch aus dem "Reich der Mitte" demonstriert man vorauseilenden Gehorsam, indem das Innenministerium mit Polizeigewalt jegliche Kritik im Keim erstickt.

Dem olympischen Komitee wird der Vorwurf gemacht, bei der Vergabe der Spiele an Peking ausschließlich wirtschaftlich gedacht zu haben. Das mag so sein - aber seien wir ehrlich: Wenn man nach den hehren Idealen des olympischen Gedankens handeln würde, wohin könnten die Spiele noch guten Gewissens vergeben werden? Peking hat sich die Spiele nicht weniger "verdient" als Berlin, Moskau, Los Angeles oder London. Einen Boykott halte ich aus diesem Grund für falsch.

Die Annexion Tibets ist nicht wegzuleugnen, wegzuschweigen und leider auch nicht wegzumeditieren. Tibet ist nicht China und die Tibeter sind keine Chinesen. Sie haben eine eigenen Sprache, eine eigene Schrift und eine eigene Lebensart. Was ich mir aber sehr wünsche, das sind Funktionäre und Sportler mit dem Bewusstsein, dass olympische Spiele eine politische Dimension haben. Sie dienen seit der Antike auch als politisches Forum. Vielleicht finden einige die Courage, die tibetische Fahne hochzuhalten!

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