Kein Radio auf Hörerkosten

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dieFurche: Wollen Sie das erfolgreiche Konzept, das Sie in der Steiermark begonnen haben, nun nach Wien tragen?

Alfred Grinschgl: In Teilbereichen ganz bestimmt: Wir sind überzeugt, daß durch die zweieinhalb Jahre "Antenne Steiermark" auch in Wien bekannt ist, daß wir Erfolg haben. Allerdings werden nicht alle Elemente auf Wien übertragen. "Antenne Wien" wird eher ein urbaner Großstadtsender sein - nicht ganz so "soft" wie das Programm in der Steiermark.

dieFurche: Nicht so "soft"?

Grinschgl: Das Musikformat in der Steiermark ist weicher, weil man mit ländlichen Gebieten zu rechnen hat, während in der Großstadt das Feeling anders ist, das Tempo ist schneller, dem paßt sich die Musik auch an. Im Info-Bereich werden wir auch in Wien versuchen, höchste Qualität zu signalisieren. Im Gegensatz zu 88.6L!VE sagen wir nicht, daß wir "der Musiksender" sind, sondern wir wollen gleichermaßen Qualität in Musik und Wort.

dieFurche: Wollen Sie dem ORF in Wien so wie in der Steiermark zusetzen?

Grinschgl: Die Wettbewerbssituation ist eine grundlegend andere. Es gibt in Wien schon jetzt mehr Radiosender allein des ORF, der Wettbewerb wird um vieles schärfer sein. Die Marktanteile werden sich gewaltig verschieben, und natürlich werden Ö3 und Radio Wien Verluste hinnehmen müssen.

dieFurche: Die Frequenzvergabe beim Privatradio wurde erneut angefochten: fürchten Sie, daß Ihnen die Lizenz wieder genommen wird?

Grinschgl: Ich fürchte mich nicht, ich glaube auch nicht, daß das passieren wird; wir rechnen nicht damit, sonst wären wir in unseren Planungen und Investitionen nicht soweit gegangen. Wir sind jetzt fix und fertig, wir könnten jederzeit zu senden beginnen.

dieFurche: Ein Konkurrent, Rudi Klausnitzer, bemühte sich vergeblich um eine Lizenz, hat aber nun Beschwerde gegen Sie eingeleitet und nicht gegen 88.6 L!VE, das zweite Wiener Regionalradio.

Grinschgl: Das ist eine besondere Art der Liebkosung durch Herrn Klausnitzer, der sehr gerne in unserer Gesellschafterrunde vertreten wäre. Es ist aber nicht auszuschließen, daß wir einmal mit ihm zusammenarbeiten.

dieFurche: Streit gibt es auch um die Werbezeit-Vermarktung, die Idee einer gemeinsamen Marketinggesellschaft der Privatradios ist nicht aufgegangen.

Grinschgl: Der Plan ist nicht aufgegangen weil drei Radios aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland gemeinsame Sache mit dem ORF machen wollten, Stichwort Ö3plus. Wir haben jetzt unsere Basis fertiggestellt: Unser Partner ist die Radio Marketing Servicegesellschaft RMS, der europaweit größte Hörfunkwerbezeitenvermarkter mit Sitz in Hamburg. Die RMS wird in Wien ein Büro eröffnen und für acht Sender die Vermarktung durchführen.

dieFurche: Werden Sie Ö3plus weiter kartellrechtlich beeinspruchen?

Grinschgl: Unsere Seite hat einen Feststellungsantrag beim Kartellgericht eingebracht, auch der ORF hat das getan. Beide Seiten haben Interesse an einer Klärung. Wir sind hier dem ORF eher hilfreich beigesprungen auf der Suche nach der Wahrheit.

dieFurche: Warum macht man so etwas wie Privatradio?

Grinschgl: Mich motiviert am meisten, daß es etwas für Österreich Neues ist. Es macht Spaß, gegen einen Monopolisten anzukämpfen. Radio an sich ist ein altes Medium, aber ein Radio, das sich nur auf Werbeerlöse stützt, ist eine Herausforderung: Auf Gebühren- und Hörerkosten Radio zu machen ist ja nicht schwierig.

dieFurche: Was ist der Unterschied zwischen öffentlich-rechtlich und privat?

Grinschgl: Ein Unterschied - abgesehen von der Finanzierung - ist, daß der ORF einen klaren gesetzlichen Auftrag hat, für Information, Kultur, Minderheiten, Religion entsprechende Angebote zu unterbreiten. Diesem Auftrag kommt der ORF seit langer Zeit nicht nach, das ist meinen Augen durch die Politik einzumahnen. Wir haben diesen gesetzlichen Auftrag nicht, wohl aber sind wir aus eigenem Interesse sehr darauf erpicht, Qualität im Wortbereich zu liefern, ein hohes journalistisches Potential zu haben und unseren Gesellschafterinteressen, nämlich "News" einerseits und der "Presse" andererseits gerecht zu werden.

dieFurche: Bei den Privaten ist Unterschiedliches zusammengespannt: Sie haben "News" und "Presse" im Stall, beim Konkurrenten ist von "Standard" bis zu "Krone" vieles vereint. Wie kann man diese Medien unter einen Hut bringen?

Grinschgl: Es liegt an der Struktur des Gesetzes, weil es vorschreibt, daß keiner allein 100 Prozent haben darf. Medienunternehmen sind auf 26 Prozent limitiert. Das zwingt diese dazu, sich zusammenzutun um eine gemeinsame Gesellschaft zu gründen.

dieFurche: Was wird in der "Antenne Wien" der "Presse"-Anteil sein, und was der "News"-Anteil?

Grinschgl: Das soll nicht in Sekunden bemessen werden, aber die Wortausprägung wird sicher ein Qualitätsmerkmal hier sein, wir sind kein Musiksender, sondern legen Wert auf qualitätsvolle Information.

dieFurche: Sie werden aber trotzdem auch Formatradio sein.

Grinschgl: Formatradio ist ein hingeworfener Begriff. Es geht darum, eine gewisse Durchhörbarkeit des Programmes zu gewährleisten, weil das Radio sich zu einem Tagesbegleiter entwickelt hat. Es wird auch nebenbei genutzt, und wenn ich ein Medium nebenbei nutze, dann will ich eine gewisse Verläßlichkeit auch in der Musikbegleitung haben: es soll nicht immer etwas anderes sein, sondern einem sehr ähnlichen Feeling entsprechen. Daher wollen wir auch eine relativ klare Zielgruppen ansprechen, nämlich 20- bis 40jährigen, und hier wiederum eher die kaufkraftstarken, mobilen und berufstätigen Schichten.

dieFurche: Kann man von echter Liberalisierung des Radiomarkts sprechen?

Grinschgl: Es liegen Welten zwischen dem, was vor 1995 war, (dann kamen zwei Privatradios in Salzburg und der Steiermark) - und jetzt warten an die 30, 40 Privatradios, da wird sich die Radiowelt dramatisch verändern. Der Endpunkt der Liberalisierung kann das nicht sein, wobei man auch der totalen Öffnung einiges entgegenhalten kann.

dieFurche: Ihr Verhältnis zum ORF?

Grinschgl: Ich bin Gebührenzahler, ich habe viele Jahre als Filmproduzent für den ORF gearbeitet, ich habe dort viele Freunde: Freundschaft und Wettbewerb schließen einander nicht aus.

Das Gespräch führten Otto Friedrich und Doris Kreindl.

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