Kino: jung, exzentrisch

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Von norwegischer Weltverbesserung bis zu Mühlviertler Avantgarde: 24.-29. April findet die vierte Ausgabe des "Crossing Europe Filmfestival Linz" statt.

Junges, eigenwilliges, exzentrisches Autorenkino aus Europa" will Intendantin Christine Dollhofer auch bei der vierten Ausgabe des Filmfestivals Crossing Europe zeigen. Als programmatisches Beispiel mag Build A Ship, Sail to Sadness gelten:

Da fährt einer mit seinem Mofa die Straße entlang. Es ist offensichtlich saukalt, die Gegend unwirtlich, doch der da fährt, hat eine Mission: Er will Disco in die Dörfer und Herzen der Menschen bringen, gegen die Einsamkeit im Norden Schottlands. Einziges Problem: Hier ist keiner einsam, das Sozialsystem funktioniert, die Menschen sind zufrieden, und es braucht auch keiner eine Disco. Der einzige, der wirklich einsam ist, ist der schrullige Mann auf dem Mofa, der mit norwegischem Akzent und messianischem Ehrgeiz verbessern will, was nicht verbessert werden muss. Er scheitert am freundlichen Desinteresse der Bewohner der Gegend. Da hilft dann nur mehr, die Benzindämpfe aus dem Mofa-Tank zu schnüffeln.

Reihe "Arbeitswelten"

Der Protagonist wird gespielt vom norwegischen Singer-Songwriter Magnus Aronson, der bezaubernde musikalische Einlagen und sprachliche Eigentore liefert. Build A Ship ist ein höchst charmanter kleiner Film, der in seinem Augenmerk auf das Besondere den Anspruch des Festivals auf den Punkt bringt.

Bewährter Fokus ist auch dieses Jahr wieder die Reihe Arbeitswelten, die sich aus der Industriestadt Linz ergeben hat und besondere Filme zum Thema Arbeit versammelt. Fünf dokumentarische Arbeiten beschreiben "Umbrüche und Aufbrüche" in Indien, Deutschland, China und sonst wo auf der Welt: Die Globalisierung erzwingt Mobilität über Grenzen und Kontinente hinweg genauso wie im virtuellen Raum. Absurditäten und Unvereinbarkeiten, die sich daraus ergeben, sind etwa das indische Callcenter, das amerikanische Kunden bedient, oder die problematische Kommunikation zwischen Koks-Arbeitern aus Deutschland und China.

Mit großem Engagement trägt Crossing Europe weiterhin zur Kultivierung der besonderen Musik im Film bei. Dazu zählen spezielle Filme wie der erwähnte Build A Ship genauso wie der Eröffnungsfilm Attwenger Adventure über die bekannte oberösterreichische Mundart-Crossover-Band. Attwenger werden übrigens im Anschluss an die Eröffnung im Festivalzentrum O.K. auftreten. Mit Wholetrain kommt dann auch die ganz junge Kultur zu Wort: Florian Gaags Spielfilm taucht in die Graffiti-Szene Münchens ein und porträtiert ein Milieu mit großer Präzision, das Gaag aus eigener Erfahrung kennt.

Mit besonderer Freude berichtet Christine Dollhofer, dass eine ganze Reihe an Crossing-Europe-Filmen bereits österreichweite Filmstarts haben, etwa die spannungsvolle französische Beziehungsgeschichte 7 ans oder der norwegische Film Reprise über eine Gruppe junger, literarisch ambitionierter Burschen. Das Programm des Festivals erzählt vom Leben an den Rändern inmitten der Gesellschaft. Das genaue Hinschauen ist es, was hier zum eigentlichen Thema wird. Immer wieder ist es dabei die Vergangenheit, die Film-Anlass ist: Gleich drei rumänische Filme im Panorama Europa beschäftigen sich etwa mit dem Revolutionsjahr 1989 und dem Sturz Ceaucescus.

Kooperation mit Linz 09

Neu ist heuer die Zusammenarbeit mit Martin Heller, dem Intendanten der Kulturhauptstadt Linz 09. Er bezeichnet Crossing Europe als "Glücksfall, weil hier viel versammelt ist, was auch die Ambition der Kulturhauptstadt ausmacht: Die europäische Grundhaltung und das Interesse an zeitgemäßem Schaffen." Die Zusammenarbeit beschränkt sich aber nicht auf die Öffentlichkeitsarbeit. Linz 09 stellt das Preisgeld für den Europäischen Wettbewerb zur Verfügung. "Hier passiert etwas Wertvolles", unterstreicht Heller seine Unterstützung für das Filmfestival.

Tatsächlich ist in Linz die Kultur- und Filmszene mit Crossing Europe selbstbewusster geworden. Mit dem Epizentrum Kunstuni ist das lokale filmische Schaffen weiterhin reichhaltig und abwechslungsreich. Die Reihe "local artists" bietet eine Auswahl der Arbeiten zur Ansicht - mit außergewöhnlich vielen langen Dokumentarfilmen, die sich auf hohem Niveau ihrem Material nähern, sei es die Geschichte der Siebenbürgen in Einst süße Heimat, die Palmers-Entführung in Keine Insel oder das Schicksal jüdischer Kinder unter dem Vichy-Regime in La Mémoire des Enfants: Rund um Linz sind viele begabte Filmemacher beheimatet und stationiert. Das erfrischend uneitle Crossing Europe Filmfestival lenkt den Blick eine Woche lang in diese Richtung - und lässt auch heuer wieder Neues, Schönes entdecken.

www.crossingeurope.at

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