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Es muss nicht immer Cannes sein: Das portugiesische Festival "Festroia" präsentiert im Städtchen Setubál Filme mit Qualität, aber ohne Starallüren.

Für vieles im Leben gibt es Optionen, deren Vor- und Nachteile sich diametral gegenüberstehen und deren Verbindung auf den ersten Blick utopisch anmutet. So haben Besucher von Filmfestivals oft mehr die Qual als die Wahl, entweder einem Spektakel mit Stars und Blitzlichtgewitter (Cannes, Venedig) anheim zu fallen, oder ein kleines Festival zu besuchen, das sich auf alternative Kinokunst und/oder die Förderung junger Talente konzentriert. Bevorzugt man zweiteres, so muss man sich schon einmal über gut gemeinte digitale Arbeiten quälen, ehe man innerhalb einer Woche den ein oder anderen Lichtblick erhascht.

Es geht auch anders

Bei solchen Veranstaltungen setzt dann das allgemeine "Raunzen" im Kinosaal ein. Wird andererseits das "Raunzen" durch ein gesellschaftlich gehobeneres "Seufzen" ersetzt, ist man geneigt, die Veranstalter kurzerhand zu verfluchen, weil man selbst bei der Vormittagsvorstellung kaum einen Sitzplatz findet und das nackte Überleben auf solchen Festivals teurer kommt, als anderswo Sultan zu spielen. Sind diese beiden Seiten wirklich so unversöhnlich?

Das portugiesische Filmfestival Festroia beweist das Gegenteil, und zeigt, dass es noch solch wundersame Festivals gibt, die filmische Qualität mit der Gemütlichkeit abseits nervösem Star- und Sternchentrubel vereinen. Festroia findet an der portugiesischen Küste, rund 50 Kilometer südlich von Lissabon, statt. Hier liegt der kleine Ort Setúbal, dessen Einwohner noch Fischfang betreiben, dessen Altstadt mit der Schönheit des Verfallenen glänzt, und dessen Filmfestival Festroia die seltene Gabe aufweist, seine Gäste regelrecht zu fesseln. "Ich bin schon 20 Jahre auf Festivals, war aber noch nie in Cannes, weil sich Festroia sonst schlecht ausgehen würde", meint einer der vielen Stammgäste.

Aus dem Vollen schöpfen

Natürlich soll den A-Festivals nicht jede Existenzberechtigung abgesprochen werden, und bestimmt ist ein Besuch in Cannes eine einzigartige Erfahrung. Wer jedoch lieber am Nachmittag ein Sonnenbad am Strand genießt und am Abend mit den Preisträgern plauscht, der ist in Setúbal definitiv am richtigen Ort. Über zehn Tage erstreckt sich hier Anfang Juni jedes Jahres eine Filmschau, die im Wettbewerb nur Beiträge aus Ländern zeigt, die nicht mehr als 30 Filme pro Jahr produzieren. Die Befürchtung, dass deshalb bei Festroia nur Filme mit mangelndem handwerklichen Vermögen und bloßer Hingabe am digitalen Schnittplatz zu Hause laufen, ist unbegründet.

Die Wettbewerbsbeiträge sind allesamt von hoher Qualität und auf 35mm gebannt. Zudem werden bevorzugt Filme ausgewählt, die bei anderen Festivals schon für Aufsehen sorgten. So entsteht ein Gemisch aus Werken mit verschiedensten kulturellen Hintergründen, das man mit einem kleinen Augenzwinkern als "Best-of" des vergangenen Filmjahres bezeichnen kann.

Hier kann man, fernab vom Trubel großer Galen, entspannt seinem Fanatismus frönen: In den ruhigen Stunden des Vormittags (praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit) bei den stets gelungenen Retrospektiven (heuer: Billy Wilder bzw. der klassische deutsche Film) alte Versäumnisse nachholen, um danach dem Wettbewerb, den Dokumentarfilmen oder jenen der American Independents beizuwohnen. Unabhängiges US-Kino ist völlig zu unrecht das Stiefkind der europäischen Kinobetreiber, wie die Schau in Setúbel zeigt. Bei den jungen Regisseuren zwischen Arizona und New York eröffnet sich ein kritischer Blick auf die eigene Gesellschaft, immer mit Humor, nie mit überanstrengender Lethargie.

Gewinnerfilm

Der große Gewinner des 23. Festroia hieß Rajko Grli´c mit seinem Film Karaula - Border Post. Es ist die erste Zusammenarbeit aller Staaten des ehemaligen Jugoslawiens und schildert auf subtile, humorvolle und tragische Weise die Befindlichkeit der Bevölkerung in einem hinter Ideologie und Legendenbildung implodierenden Staatssystem. Einsteigen und Aussteigen ist in Setúbal bloß ein einziger Schritt.

Der Autor war Mitglied der SIGNIS-Jury beim Filmfestival Festroia 2007.

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