Klagen & Zurückweisungen

19451960198020002020

Bei der Regierungsenquete zum ORF gab es manchen Schlagabtausch, aber keine Ergebnisse.

19451960198020002020

Bei der Regierungsenquete zum ORF gab es manchen Schlagabtausch, aber keine Ergebnisse.

Werbung
Werbung
Werbung

Der Schlagabtausch des Tages erfolgte im zweiten Panel: Medienstaatssekretär Franz Morak hatte auf den - ausgebauten - Dachboden der Wiener Hofburg zu einer Enquete über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Allgemeinen und daher über den ORF im Besonderen geladen. Zu Beginn erklärte Morak die Nachdenkpause, die sich die Regierung zum Thema ORF wochenlang verordnet hatte, für beendet. Dann plagten sich Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medien in vier Paneldiskussionen, vor dem Staatssekretär und den (zeitweilig) anwesenden Politikern von Grün bis Blau sowie interessiertem Publikum, die öffentlich-rechtliche Zukunft zu entwickeln.

In besagtem zweiten Panel war Styria-Generaldirektor Horst Pirker einer der Diskutanten. Diskussionsleiter Alfred Payerleitner stellte Pirker als "Kläger" vor, weil die zur Styria Medien AG gehörende Kleine Zeitung den ORF wegen Werbemethoden wie Unterbrecherwerbung oder Product Placement geklagt hatte. Pirker kam denn auch gleich zum Grund der Klage und warf dem ORF "Suchtverhalten" vor, und zwar "Sucht nach Quote" und "nach immer mehr Geld". Der Styria-General bezeichnete es als "unerträglich", dass der ORF "planmäßig" und mit "bedingtem Vorsatz" Gesetze und den öffentlich-rechtlichen Auftrag verletze. Außerdem sende der ORF "Formate, die die Verletzung von Menschenwürde" ermöglichten. Pirker hielt dem ORF auch vor, es gebe in ihm eine "prinzipielle Käuflichkeit redaktioneller Inhalte" sowie die "prinzipielle Vermischung von Redaktionellem und Werbung". Schließlich befinde sich der ORF in einem "Konkubinat" mit dem "führenden österreichischen Massenblatt".

ORF-General Gerhard Weis replizierte auf die Vorwürfe kurz und bündig: Die Gerichte würden über die Klage entscheiden, den Vorwurf der Gesetzesbeugung weise er entschieden zurück. Die moralische Entrüstung glaube er Pirker nicht: Es gehe dabei um's Geld und um Konkurrenzbekämpfung. Pirker dagegen bezeichnete die Klage als "Notwehrakt" - ein Wort, das auch Gerhard Weis im Mund führt, allerdings in anderem Zusammenhang: Weis hatte nämlich vor einigen Tagen das Programmformat Taxi Orange als "öffentlich-rechtlichen Notwehrakt" gegen ähnliche Sendungen im Privat-TV zu verkaufen versucht.

Abseits der geschilderten Kontroverse mühten sich die Experten auf der ORF-Enquete, ihre Argumente vorzulegen. Horst Pirker war dabei nicht der Einzige, der Marktmacht und Werbemethoden der heimischen Rundfunkanstalt beklagte. Zu handfesten Ergebnissen führte die Enquete kaum. Selbst die Definition dessen, was "öffentlich-rechtlich" ist, blieb im Vagen. Albert Scharf, Intendant des Bayerischen Rundfunks, warnte sogar eindringlich: Eine derartige Definition sei ohne Einengung nicht möglich.

Resümee Franz Moraks nach acht Stunden Diskussion: "Es gab ein flächendeckendes Ja zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ein Ja zum dualen System (von ORF und Privat-TV, Anm.), ein Ja zum Wettbewerb und ein Ja zum Auftrag zur Innovation."

Der ORF hatte den Teilnehmern eine 1,25 Kilo schwere Broschüre mitgebracht, auf deren 224 Seiten die Medienprofis und Journalisten die "Höhepunkte aus dem öffentlich-rechtlichen Kernangebot des ORF" nachlesen konnten.

Eine konstruktive, gelassene, zu Ergebnissen führende Diskussion über die adäquate Gestalt einer nationalen Rundfunkanstalt anno 2001 vermissten viele. ORF-Verteidiger Gerhard Weis replizierte auf kritische Anfragen auf seine Weise: Wäre der ORF nicht so erfolgreich, hätte er wahrscheinlich kein Problem ...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung