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Zum 100er der "Kleinen Zeitung" - ein Geburtstagsgruß über den Semmering.

Man darf sich die Gründung der Kleinen Zeitung, erstmals am 22. November 1904 erschienen, durchaus als revolutionären Akt vorstellen: Ein parteiunabhängiges Blatt für die breite Masse sollte es sein, das der Katholische Preßverein der Diözese Graz-Seckau da auf den Markt brachte, les- und leistbar für die "kleinen Leute". "Kreuzerfrosch" wurde die Zeitung daher anfangs, in Anspielung auf den niedrigen Preis, liebevoll genannt. Die Blattlinie orientierte sich selbstverständlich an den Prinzipien des 1869 gegründeten Preßvereins, aber das Grundverständnis, die Orientierung auf den Leser hin, unterschied sich doch deutlich von der damals üblichen Gesinnungspresse.

Vom publizistischen Ansatz her sind die Parallelen zwischen Kleiner Zeitung und der 41 Jahre später gegründeten Furche nicht zu übersehen: ein "katholisches Blatt für die Weltleute und nicht ein religiöses Blatt im Sinne eines Kirchenblattes", "in strenger Unabhängigkeit von jeder politischen Partei" und auch "aufgeschlossen gegenüber den ... Bedürfnissen ... der arbeitenden ... Volksschichten" sollte die Furche dem Testament ihres Gründers Friedrich Funder zufolge sein. Gleiches ließe sich wohl von der Kleinen Zeitung sagen - und ist natürlich, wie auch bei der Furche, in die jeweilige Zeit hinein zu übersetzen.

5 Minuten oder 1 Stunde

Das Geheimnis der Kleinen durch die Jahrzehnte - von der Zeit, da sie als NS-Kampfblatt zu fungieren hatte, abgesehen - liegt in der Synthese: von Masse und Qualität, von regional und international, von Standpunktfestigkeit und Weltoffenheit. Die Herausforderung bestehe darin, so formulierte es gerne Fritz Csoklich, Chefredakteur von 1960 bis 1994 und ein Vierteljahrhundert jünger als "seine" Kleine, Tag für Tag ein Blatt zu machen, das in fünf Minuten gelesen werden kann und gleichzeitig Lektüre für eine ganze Stunde bietet. Der Anspruch dahinter, wiederum in Csoklichs Worten: "den Boulevard nicht dem Boulevard überlassen". Das war nicht nur eine verlegerische Strategie im Kampf mit dem Konkurrenten Kronen Zeitung in der Steiermark und Kärnten, das war so etwas wie Csoklichs publizistisches Credo, das letztlich in der Achtung vor der Würde aller Leserinnen und Leser, nicht nur der Eliten und opinion leader, wurzelte.

Unter der Leitung von Csoklich und seinem kongenial-komplementären Stellvertreter Kurt Wimmer wurde die tägliche Gratwanderung unternommen: zu zeigen, dass katholisch geprägte Gesinnung nichts mit Konfessionalismus zu tun haben muss, dass Heimat recht verstanden "nicht Enge, sondern Tiefe" (H. Koren) meint - aber auch, dass Verständlichkeit der Texte und Unterhaltung der Seriosität und dem Niveau keinen Abbruch tun.

Heute schreiben Erwin Zankel und Hubert Patterer diese Tradition, die auch eine beispiellose Erfolgsgeschichte in der heimischen Medienlandschaft bedeutet, mit ganzer Kraft fort. Die ökonomischen, aber auch die allgemein geistigen Rahmenbedingungen lassen oben beschriebenen Balanceakt freilich tendenziell noch schwieriger als früher erscheinen. Umso bemerkenswerter ist es, dass man sich vor zwei Jahren bei der Kleinen zu einem Relaunch entschlossen hat, der statt Annäherung an den Boulevard einen Zugewinn an Eleganz und etwa eine deutliche Verlängerung des Leitartikels gebracht hat.

Steirisches Eichenfass

Nicht wenige Journalisten des Landes - darunter Gerfried Sperl, Michael Fleischhacker, auch der Autor dieser Zeilen - sind im Kleinen steirischen Eichenfass gereift und haben von Csoklich & Co. gelernt. Auch dadurch hat das Haus einen Beitrag zur publizistischen Kultur geleistet. Zum 100er wünscht man sich, dass das Flaggschiff in der Grazer Schönaugasse und in der Klagenfurter Funderstraße auf Kurs bleibt; dass es das Risiko der Synthesen weiterhin unternimmt und damit seiner Identität treu bleibt; dass es auch künftig gelingt, "den Boulevard nicht dem Boulevard zu überlassen" und nicht selbst der Versuchung des Boulevards zu erliegen.

Vor allem aber: dass sich die Kleine ihre Grundsätze, ihre Menschenfreundlichkeit und soziale Sensibilität, bewahren kann; kurz: dass sie auch in den nächsten hundert Jahren, soweit man das von einer Zeitung sagen kann, das Herz am rechten Fleck hat. Alles Gute!

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