Moderatorin Christiane Gerboth sorgt gleich für die richtige Stimmung im Magazin "Focus-TV" auf ProSieben. Um das "Kartell der Frommen" und seinen Einfluss im amerikanischen Wahlkampf soll es im nächsten Beitrag gehen. Im Bible Belt, sagt sie, werde die Zahl der Bibeln nur von jener der Handfeuerwaffen übertroffen. Im Hintergrund sieht man das düstere Bild eines schwarzen Mannes mit Kreuz. Was er wohl in seinen beiden riesigen Bibeln versteckt hat?
Der Beitrag kommt zum Glück weniger flapsig daher. Den Wahlkampf erwähnt er kaum, dafür aber ziemlich alles, was hierzulande Kopfschütteln auslöst: der Prediger, der sich am Rand des Nervenzusammenbruchs über Homosexuelle echauffiert, ein riesiger Supermarkt für den christlichen Bedarf oder der Hightech-Gottesdienst in der Mega Church. Freilich: Im Staunen über all das wird auch deutlich, wie schwer sich der europäische Main Stream mit jeder Form dezidierter Religiosität tut.
Von einem baptistischen Liebespaar erfahren wir das Wichtigste zuerst: Die beiden haben noch nie miteinander geschlafen. Sexuelle Enthaltsamkeit gilt in Europa als besonders schwerwiegend, also wird nachgefragt. Ja, sie küssen einander und sie würden gerne, aber wahre Liebe wartet...
Gegen Homosexualität und Abtreibung, für Bush und Todesstrafe: Das gezeichnete Bild ist nicht falsch, aber auch nicht vollständig. Dass aus dem amerikanischen Christentum auch kritische Impulse kommen, bleibt ausgeblendet - genau wie der Umstand, dass auch evangelikal-konservative Wähler mit ein paar Klischees nicht beschrieben sind.
Die junge Dame, gesteht, sie liebe Bush, aber in Deutschland werde man sie dafür hassen. "Hassen", sagt sie. Der christlich-christliche oder europäisch-amerikanische Dialog ist so wichtig und fast so schwierig wie der christlich-islamische. Er kann nur gelingen, wenn die Klischees in den Köpfen die Wirklichkeit nicht verstellen. Auch und gerade im Fernsehen.
