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Sowohl dem Saddam- als auch dem Islamisten-Regime sind die Radiomacher entronnen. Jetzt gehen sie mit "Neuer Stimme" auf Sendung.

Dengue nué", kurdisch für "Neue Stimme", heißt ein noch nie dagewesener neuer Radiosender im Nordirak. Thematisch wird sich der Sender vorwiegend mit den spezifischen Problemen von Frauen und Jugendlichen im patriarchalisch geprägten Nordirak beschäftigen. Das Programm wird durch Talkshows, Nachrichtensendungen, Dokumentationen und Ratgebersendungen gefüllt. Auch Unterhaltung soll ein Teil des Programms sein. Das Radioteam besteht vorerst aus 14 jungen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Allesamt sind sie Überlebende des Giftgasangriffes auf Halabja, teilen eine traumatische Vergangenheit von Tod, Vertreibung, Flucht, Exil, Rückkehr und Internierung in so genannte Collective Towns.

Ab und auf und ab und auf

1988 wurde die Stadt Halabja von Saddam Hussein mit Giftgas bombardiert. 1991 gelang die Befreiung von Teilen des Nordiraks aus den Fängen der Zentralregierung, die Freude darüber konnten die Kurden aber nur kurze Zeit genießen, bald setzten sich islamistische Gruppierungen in der Region fest und installierten neuerlich ein Regime der Unterdrückung. 2003 wendete sich jedoch das Blatt nochmals, die Islamisten wurden mit Hilfe der Amerikaner und kurdischen Peshmergas vertrieben. "Ich kann meine Gefühle darüber noch kaum in Worte fassen", erzählt Shian vom Radioteam, "doch eines steht fest: in diesem Jahr hat sich alles in meinem Leben verändert." Im Jahr 2000 musste sie die Schule verlassen, weil sie sich weigerte, ihr Haar zu bedecken. Die Islamisten dominierten die Schulen und drangsalierten Mädchen, die das Kopftuch verweigerten oder nicht "vorschriftsgemäß" trugen. "Trotz der Unterstützung meiner Eltern konnten weder ich noch meine Schwester einen Schulabschluss erreichen. Dabei waren wir Vorzugsschülerinnen."

Niemand im Radioteam hat einen Schulabschluss, die Gründe dafür sind ähnlich: Armut, Flucht, Tod der Eltern, Krankheit, Druck der Islamisten. Auch darüber soll Dengue nué berichten. Die Jugendlichen haben sich beworben, als sie erfuhren, dass dies kein Parteisender ist, sondern ein unabhängiges Forum für Frauen und Jugendliche. "So etwas hat es hier tatsächlich noch nie gegeben", meint Qeisar, der eine Sendereihe plant, in der er philosophische Schriften vorstellen und über Sexualität und Gesundheit debattieren möchte. Auch Galawesh musste die Schule auf Druck der Islamisten verlassen. Sie will Sendungen über kurdische Kunst produzieren.

Bildung für Analphabeten

Im Nordirak ist das Analphabetentum gerade bei Frauen weit verbreitet. Daher ist für sie ein Radiosender das geeignete Medium. Und 60 Prozent der Bevölkerung des Irak sind Jugendliche. Zur Sicherung einer friedlichen Zukunft des Landes ist es deswegen entscheidend, gerade bei ihnen das Verständnis für demokratische Institutionen und Vernetzung durch Eigeninitiative zu schaffen.

Vorsichtig oder offensiv?

Finanziert wird das Radio von der amerikanischen Organisation acdi-Voca. Drei Jahre lang wird die Radiostation auch durch eine Kooperation mit dem spanischen Radio Gladys Palmera gesichert. Zur Implementierung der Radiostation hilft der österreichische Verband für Entwicklungszusammenarbeit "Wadi", die nötigen technischen Geräte zusammenzustellen und Ausbildungsprogramme für die Radiomacher zu organisieren. Wadi mietet auch Räume in verschiedenen Städten, um dort das zukünftige Programm zu produzieren.

Baathisten und radikale Islamisten haben ihre Macht verloren, doch ihre Terrorherrschaft hat Spuren hinterlassen: "Wir müssen vorsichtig vorgehen, sonst werden die konservativen Kräfte Dengue nué abdrehen", meint der eine; "Nein, wir müssen offensiv vorangehen, wir dürfen keine Angst haben, denn wir leben heute in einem freien Land!", meint die andere. Hero jedenfalls weiß schon, wie ihre erste Sendung heißen wird: "Die Freiheit beginnt im Kopf" und gerichtet ist sie an jene Frauen, "die die Fesseln unserer Gesellschaft überwinden möchten."

Weitere Info: www.wadinet.at

Projekt "Neue Stimme".

WADI Kto: 07.405.301

Ev. Kreditgenossenschaft BLZ 31800

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