Laut, heftig, undifferenziert
Die Regierung will den ORF schnell reformieren. Die Debatte darüber ist kaum mehr als schrill.
Die Regierung will den ORF schnell reformieren. Die Debatte darüber ist kaum mehr als schrill.
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel habe ihn die Berufung in den "Weisenrat" zur ORF-Reform getroffen. Dies meinte Fritz Csoklich, langjähriger Chefredakteur der Kleinen Zeitung und Mit-initiator des legendären Rundfunk-Volksbegehrens 1964 am Tag nach der Bekanntgabe der Einrichtung des Weisenrates durch die Bundesregierung. Csoklich, mit dem andere "Haudegen" aus der Medienbranche - da-runter der legendäre Ex-ORF-General Gerd Bacher, der langjährige ORF-Journalist Alfred Payrleitner, der frühere SPÖ-Medienpolitiker Heinrich Keller - diesen Weisenrat bilden, bezeichnete es als faszinierende Aufgabe, "ein Stückerl beitragen zu können", den ORF aus der politischen Umklammerung zu befreien. Für Csoklich ist dies die "dauernde Wunde des ORF", die seit der Ära Kreisky offen daliegt.
Der Weisenrat, der eine detaillierte Punktuation zu den Themen "Werbung" und "Neuformulierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags" erstellen soll, hat nach Auskunft von Csoklich keine Vorgaben erhalten. Das Gremium der "Elder Statesmen" in Sachen Medienpolitik ist nur ein kleiner Teil der Regierungsankündigungen in Sachen ORF-Gesetz, das bis Juni unter Dach und Fach sein soll.
Beim Ministerrat am 13. März war eine "Punktuation" vorgelegt und beschlossen worden, in der die Eckpunkte einer ORF-Reform aufgelistet sind.
Der ORF neu soll unter anderem so aussehen (die gesamte Punktuation kann aus dem Internet heruntergeladen werden unter: www.bka.gv.at/ bka/medien/medienrecht.htm): * Der ORF soll eine Stiftung nach öffentlichem Recht werden.
* Statt des 35-köpfigen Kuratoriums soll ein gleich großer Stiftungsrat treten, dessen Rechte und Pflichten einem Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften gleichen. Politische Mandatare oder Angestellte politischer Parteien sollen dem Stiftungsrat nicht angehören dürfen.
* Der Generalintendant soll vom Stiftungsrat mit einfacher Mehrheit gewählt werden (im Gegensatz zur derzeitig notwendigen Zweidrittelmehrheit), für eine Abwahl wird allerdings eine Zweidrittelmehrheit notwendig sein. Der Generalintendant soll ein direktes Weisungsrecht erhalten; der ORF-Vorstand kann laut Punktuation aus vier bis sechs Direktoren und Intendanten bestehen.
* Themensponsoring und Product Placement soll es beim ORF in Zukunft nicht mehr geben, für Unterbrecherwerbung sollen neue Richtlinien erarbeitet werden.
* Es soll eine klare Trennung zwischen öffentlich-rechtlichem Bereich und den neuen Geschäftsfeldern erfolgen.
Fritz Csoklich vermutete bereits am Mittwoch vergangener Woche, dass der Vorschlag der Regierung von allen möglichen Seiten torpediert werden würde: Diese Prognose trat umgehend ein. Scheinbare Koalitionen aus Opposition, ORF, vielen Printmedien - allen voran der neue Print-Koloss Krokufellwaz - ließen wenig gute Haare am Regierungsentwurf. Hans Dichand, 80, seit Urzeiten Intimfeind des einstmaligen ORF-Tigers Gerd Bacher, qualifizierte seinen - immerhin fünf Jahre jüngeren - Widersacher als "Leihopa" ab, im profil ließ er in Sachen ORF-Reform die Öffentlichkeit wissen: "Es ist eigentlich nicht das, was wir uns gewünscht haben." Er wollte auch keinen "Weisenrat" mit "all den Leuten, die unsere Erzfeinde waren".
Laut, heftig, undifferenziert: So könnte einmal mehr die Debatte um den ORF charakterisiert werden. Dabei spielt sicher die neuerliche "Speed kills"-(oder: Husch-Pfusch?-)Strategie der Regierung mit: Bis Ende März schon soll der Weisenrat mit seiner Arbeit fertig, bis Ende Juni das ORF-Gesetz unter Dach und Fach sein, sodass es per 1. August in Kraft treten kann.
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