Leben als Geschwulst

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Barbara Albert zeichnet in ihrem neuen Film "Böse Zellen" ein Panorama des Abgründigen im Banalen.

Wo Banalität in den Abgrund mündet, gedeihen Barbara Alberts "Böse Zellen". Tumorartig breiten sie sich aus, ziehen undurchschaubare Netze zwischen den Protagonisten. Auf der Suche nach Glück taumeln sie stumm durch schöne, kalte Shoppingwelten, hoffen aufs große Los, die große Liebe, den Auftritt in einer populären "Talkshow". Alle sind verstrickt in Abhängigkeiten, versuchen irgendwie, mit dem Schicksal fertig zu werden. Die Bewältigungsstrategien reichen von der Flucht in Konsum, Alkohol, Sex bis zur Hörigkeit, der Illusion einer Liebe bis zur Familienaufstellung. Kleine Gesten oder Gewaltakte, alles hat weit reichende Konsequenzen.

Wie tausende Touristen genießt Manu (Kathrin Resetarits) die Ferien, schreibt eine banale Karte und lässt sich am Airport vorm Abflug knipsen. Favelas, Himmel, Überblendung auf gemaltes Kitschblau, ein biederer Chor singt dem Herrgott ein Lied. Die potenzielle Katastrophe, die immer mitfliegt, passiert. Manu überlebt als einzige, arbeitet im Supermarkt, heiratet, wird Mutter. Gatte Andreas (Georg Friedrich) träumt vom Lospreis Fertigteilhaus. Am Heimweg von der Disco verunglückt Manu, erfährt nie, dass er sie mit ihrer Freundin Andrea (Ursula Strauss) betrügt. Die taumelt von einer alkoholisierten Disconacht mit schnellem Sex zur anderen, unfähig, sich zu lösen. Andreas gewinnt das Haus, das Glück bleibt draußen - und Tochter Yvonne im Regen.

Banale Orte, banale Konsum- und Alltagswelten, banales Getratsche im Kleinstadtcafe: nach und nach brechen Abgründe darunter auf. Das Unerklärliche ist der roten Faden, der Film und Personen zusammenhält. Lukas (Rupert Lehofer) verlor seinen Bruder durch Mord, Außenseiterin Patricia (Désirée Ourada) ihre Eltern. Das verbindet, die beiden gehen in der ersten Liebesnacht behutsam miteinander um. Ein Hoffnungsschimmer zwischen den vielen Abhängigkeiten der "Bösen Zellen".

Die bedrohliche Grundstimmung ist durch konträre, scheinbar zusammenhangslose Schnittfolgen von Anfang an da. Das hat System, stellt Bezüge zwischen Menschen und Ereignissen her. Alles hängt mit allem zusammen, ohne rational erklärbar zu sein. "Böse Zellen" ist sowas wie eine filmische Umsetzung der Chaos-Theorie.

Böse Zellen

Ö/D/CH 2003. Regie/Drehbuch:

Barbara Albert. Mit Kathrin Resetarits, Ursula Strauss, Georg Friedrich, Marion Mitterhammer. Verleih: Polyfilm. 120 Min.

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