"Machen Sie keinen Film mit einer Nonne"

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Giuseppe Piccioni, Regisseur und Drehbuchautor des Filmkunstwerks "Nicht von dieser Welt", im furche-Interview.

die furche: Ihr Film wurde mit Preisen überhäuft und von der Kritik hymnisch gefeiert (Filmkritik siehe furche Nr. 17) . Manche meinten, er sei durch seine "Gabe der Beseelung" selbst "nicht von dieser Welt". Haben Sie mit diesem Erfolg gerechnet?

Giuseppe Piccioni: Nein. Mit einer Geschichte über eine Ordensschwester war eigentlich kein Erfolg zu erwarten. Der Produzent hat gemeint: Machen Sie niemals einen Film mit einer Nonne. Sogar meine engsten Freunde haben mir davon abgeraten, einen Film über eine Klosterschwester zu drehen, der ein Findelkind in den Arm gedrückt wird und die ausgelöst durch dieses Ereignis ihr Leben und ihre Berufung in Frage stellt. Die Gefahr war groß, dass der Film klischeehaft oder sentimental werden würde. Umso zufriedener waren wir, als der Film einen so großen Erfolg hatte. Ich wollte ja keine Geschichte über eine Nonne im klassischen oder religiösen Sinn erzählen, aber auch keine Nonne zeigen wie in "Sister Act". Ich wollte eine Geschichte erzählen über Menschen, von denen man normalerweise nichts im Fernsehen sieht, über Menschen, die etwas vermissen. Was die Nonne Caterina und der Wäschereibesitzer Ernesto brauchen, ist die Erfahrung, sich in etwas zu verlieben, in eine neue Idee ihrer selbst. Caterina hat diese Sehnsucht. Wenn Sie etwa von Gott spricht, spricht sie wie über einen Verlobten. Das wird in der Szene deutlich, in der Ernesto sagt: "Warum lieben Sie Gott auf eine so übertriebene Weise?" Und Caterina antwortet: "Haben Sie jemals jemanden geliebt, ohne zu übertreiben?" Diese Geschichte ist deshalb keine über eine Nonne und einen einsamen Mann, es ist eine Geschichte über Menschen, die uns sehr viel näher sind, als wir vermuten.

die furche: Warum lassen Sie - trotz aller Warnungen - dennnoch gerade eine Nonne nach einer neuen Idee ihrer selbst suchen?

Piccioni: Weil die Nonne in ihrem ewigen Gelübde eine endgültige Entscheidung trifft, die nicht rückgängig zu machen ist - während es in der modernen Gesellschaft üblich ist, sich nur kurzfristig zu entscheiden und diese Entscheidungen ständig rückgängig zu machen. Caterina macht keine Karriere, sie muss sich keine Arbeit suchen und Kinder bekommen. Sie ist in diesem Sinn ein Beispiel für jemanden, der "nicht von dieser Welt" ist.

die furche: Worin liegt das Geheimnis, dass dieser Film trotz aller Risiken nicht klischeehaft oder sentimental geworden ist?

Piccioni: Das Geheimnis liegt in den Ähnlichkeiten der handelnden Personen. In einem gewissen Sinn spricht jeder von der Liebe und von der Zukunft. Auch Caterina folgt ihrer Leidenschaft. Sie verlässt aber den Konvent nicht, sondern kehrt verändert zurück. Auch Ernesto kehrt aufmerksamer und offener in seine Wäscherei zurück. Ich habe einmal von einer Nonne gelesen, die gemeint hat, Umarmungen und Zärtlichkeiten zu vermissen. Das hat mich betroffen gemacht. Auch Caterina braucht die Erfahrung, einem Baby und einem Mann zu begegnen.

die furche: Wie intensiv haben Sie für Ihren Film recherchiert?

Piccioni: Ich habe viele Interviews mit Nonnen geführt. Zwei Monate lang gingen wir mit Margherita Buy in ein Kloster, um die Gesichter zu studieren, das Lachen, das Schauen. Interessant war, dass viele Nonnen mir von einer gewissen Sehnsucht nach Mutterschaft erzählt haben Sie fühlten dieses Problem tatsächlich, und nicht in einem religiösen Sinn. Vorher habe ich nicht mehr als jeder andere von Ordensschwestern gewusst. Doch in den zweiwöchigen Dreharbeiten in diesem wirklichen Konvent in Bergamo haben wir viel über sie erfahren. Für die Schwestern selbst waren die Dreharbeiten ein regelrechtes Fest. Aber wir waren natürlich auch in vielen Klöstern, wo man uns die Tür vor der Nase zugemacht hat.

die furche: Eine der schwierigsten Szenen im Film ist jene, wo Caterinas Mutter ihr vorhält, sie verlassen zu haben. Niemals könne sie Caterinas Entscheidung, Klosterfrau zu werden, akzeptieren. Hatten die Schwestern, mit denen Sie gesprochen haben, ähnliche Probleme mit ihren Eltern?

Piccioni: Ja, das ist sehr realitätsnah. Viele Eltern haben Probleme, weil ihr eigenes Leben und alles, was man sich für die Kinder gewünscht hat, umgeworfen wird.

die furche: Hat der Film Ihre Sichtweise über religiöse Berufungen verändert?

Piccioni: Nein, aber ich fühle mich reicher als zuvor. Wenn ich einen Film mache, versuche ich ja etwas Neues zu entdecken. Ich habe zwar zuvor schon Ordensschwestern gekannt, das kommt vor allem in Rom leicht vor. Doch ich wollte bewusst nicht dort drehen, sondern in Mailand, einer härteren, kälteren Stadt. Umso überraschter war ich, als sich später viele katholische Nonnen bei mir gemeldet haben, die mit dem Film sehr zufrieden waren. Sie meinten, das Bild, das von ihnen vermittelt worden ist, sei sehr human und treffend gewesen. Ich selbst könnte mich aber wahrscheinlich nie zu einer so weitreichenden Entscheidung durchringen, wie sie etwa Caterina getroffen hat. Ich kann sie auch nicht teilen. Wahrscheinlich hätte ich es deshalb persönlich bevorzugt, dass sie das Kloster verlässt.

Das Gespräch führte Doris Helmberger

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