Mediale Fehltreffer

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Ein Rückblick auf den Golfkrieg 1991 macht klar: Auch 2003 ist in Bezug auf Kriegsberichterstattung Vorsicht vor Leichtgläubigkeit angesagt.

Wie war das damals, 1991, mit dem ORF? Versehen mit über 500 Unterschriften von Friedensaktivisten, darunter bekannte Künstler und Wissenschafter, kirchliche Stellen und auch Politiker, brachte Rechtsanwalt Georg Zanger gegen Ende des Golfkriegs 1991 eine Beschwerde gegen den ORF ein: "Die gesamte Berichterstattung gleicht einem Werbespot für Waffensysteme ... Kommentare, die sich auf die Treffsicherheit von Raketensystemen beziehen, haben den Charakter von Fußballspielen ... Auf Grund des Objektivitätsgebotes wäre der ORF verpflichtet, auf die vielen Toten und die schwere Beeinträchtigung des menschlichen Lebens derart hinzuweisen, dass keine Kriegslust beim Zuschauer entsteht, sondern die Friedenserziehung im Vordergrund steht ..."

Eindeutig jedoch beschied im April 1991 die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes, der ORF hätte das Rundfunkgesetz nicht verletzt und dem Objektivitätsgebot voll und ganz entsprochen. Friedenserziehung, so der ORF, gehöre nicht zu seinen Aufgaben, aber man hätte sich bemüht, die menschliche Dimension ins Bild zu setzen".

Der Verfasser dieses Beitrags hat die Opfer der Bombardements in den Kinderspitälern Bagdads gesehen und mit Angehörigen der hunderten verbrannten Frauen und Kinder im "irrtümlich" bombardierten größten Luftschutzbunker Bagdads gesprochen. Seine Freunde von der ARD drehten tagelang im Irak (ARD Weltspiegel: "Bericht aus einem zerschlagenen Land") und boten das Material auch dem ORF an. Doch weder der ORF noch die meisten Zeitungen waren an den Videos bzw. den Fotos und Berichten über die Opfer interessiert.

Infotainment statt Krieg

Wie sehr 1991 Krieg mit Infotainment verwechselt worden ist, zeigt ein Beispiel von vielen in den Printmedien: Reporterin Antonia Rados, damals für den ORF in Bagdad, wurde für die Wahl des "Fernsehstars des Jahres 1991" nominiert. Rados' Berichte aus Bagdad verleiteten Hans Rauscher (damals Kurier) zu kühnen Prognosen: "... Rados berichtet von erstaunlich präzisen Bombenangriffen, relativ geringen Verwüstungen und wagt eine Schätzung der Todesopfer: fünf bis zehn täglich ... dann wäre der äußerste, unerträgliche Schrecken des Krieges bisher vermieden worden" (Kommentar vom 10. Februar, also drei Wochen nach Kriegsbeginn). Das Pentagon selbst untersuchte später die Genauigkeit der Bombenabwürfe - Ergebnis: Bis zu 70 Prozent verfehlten ihr Ziel.

"Saddams Tage sind gezählt" - "Giftgasangriff des Irak auf Israel" - "Saddams Elitetruppen eingekesselt und vernichtet" - schlagzeilten Wiener Tageszeitungen damals. Letztere Headline beschrieb aber das Gegenteil der Realität: Tatsächlich ließ die US-Army die eingekesselten Republikanischen Garden mit ihren schweren Waffen und Kampfhubschraubern frei. Sie schlugen den Aufstand der (von den USA zunächst ermutigten und unterstützten) Kurden im Nordirak und der Schiiten bei Basra im Süden grausamst nieder.

Ausgerechnet Staberl in der Kronen Zeitung kritisierte die US-Angriffe heftig. Ebenso wie die Volksstimme - welch unheilige Allianz! - zitierte Staberl aus dem Bericht des früheren US-Verteidigungsministers Ramsey Clark: Clark war mit einem Kamerateam im Irak und dokumentierte die "ungeheuren Opfer und Zerstörungen", sprach von "Völkermord" und forderte, dass George Bush (senior) und Golfkriegs-General Norman Schwarzkopf vor ein UN-Tribunal gestellt werden sollten. "Saddam hat auch noch Atomwaffen versteckt", warnt die Krone hingegen wenig später und titelte gleichzeitig im Blattinneren, dass die US-Angriffe auf Bagdad "schlimmer als Hiroshima" wären.

Michael Jeannée, damals Krone-"Adabei", besuchte die "Österreicher bei der Fremdenlegion am Golf" und schrieb: "... Alter: Dreißig. Typ: Lächler, aber einer von der tödlichen Sorte ... Bilderbuchtiroler: stolz, sensibel, traurig, - und beinhart ... steirischer Sturschädel, würde gern dem Saddam eins auf die Finger haun."

2003 viel kritischer als 1991

Henrik M. Broder nannte 1991 im profil Antikriegsdemonstranten "Saddams deutsche Truppen" und: "Ist die Friedensbewegung ein Haufen grenzdebiler Primaten?" Solche Polemik ist 12 Jahre später in europäischen Medien aber selten zu finden: Beim Irak-Krieg 2003 befleißigen sich fast nur mehr US-Medien ähnlicher Diktion: "Hitlers Kinder bei Pro-Saddam-Demo", lautete in einem US-Magazin die Unterschrift zum Bild einer Kundgebung Jugendlicher in München. Und Bill O'Reilly, Starreporter bei Rupert Murdochs Fox TV, befiehlt in seiner Sendung den (europäischen) Kriegsgegnern "das Maul zu halten - to shut up" und nennt sie "unsere Staatsfeinde - enemies of our state".

1991 hingegen brachten auch österreichische Qualitätsblätter häufig überdimensionale Bilder von angeblich kämpfenden Soldaten, von Panzern und Bombern. Für Waffenfreaks gab es genaue Informationen zu deren Technik, Funktion und Wirkung mit detaillierten Skizzen wie bei einer Bastleranleitung. Die Wirkung auf die Opfer blieb dabei aber meist ausgespart. Dennoch ist festzuhalten, dass etwa im Standard oder im profil auch 1991 kritische Stimmen Platz fanden.

Obwohl sich - im Vergleich zu 1991 - der Grundzugang europäischer Medien zum Irakkrieg als wesentlich kritischer darstellt, sollten die hier angeführten Beispiele auch 2003 zur Vorsicht anleiten: Was aus Schlagzeilen und Top News entgegenschallt, könnte sich auch diesmal leicht als realitätsfern entpuppen.

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