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Warum Kultur nicht in die Medien passt, warum sie trotzdem dort vorkommen muss, und wie sie sich dadurch verändert. l

Was nicht im Fernsehen war, hat nicht stattgefunden. Darum muss Kultur ins Fernsehen, sonst gibt es sie nicht. Darum muss Kultur in jedes Medium, auch wenn die Kulturseite nur 12 Prozent der Leserinnen (in der überwiegenden Mehrzahl sind es Frauen!) und Leser aufschlagen. Aufmerksamkeit ist zum knappsten Gut geworden, und die Medien verwalten die Ökonomie der Aufmerksamkeit des Publikums gegenüber der Kunst, wie Staatssekretär Franz Morak in seiner Eröffnungsrede bei den diesjährigen Alpbacher Mediengesprächen feststellte.

"Medien und Kultur, das passt zusammen wie Fisch und Fahrrad", meinte der Mannheimer Germanist und Medienforscher Jochen Hörisch in derselben Veranstaltung. Denn die Medien, die elektronischen zumal, sind Realitätsverstärker. Und gerade das will Kunst ja nicht sein. Außerdem setzen die Medien sich ja meist gar nicht mit Kunst auseinander, sondern mit dem Kunstbetrieb, wie in Alpbach auch treffend angemerkt wurde; und sie erheben die Quote zum alleinigen Großkritiker, wie Manfred Kesting schrieb.

Quote statt Kritik

Womit wir beim Elend des Kulturjournalismus angelangt wären: Die Printmedien haben immer weniger Platz für Kulturberichterstattung, denn in den letzten zehn Jahren hat die Zeitungsseite etwa 40 Prozent an Text eingebüßt: Bilder und Überschriften nehmen zu, die kritische Differenzierung (die mit der Textlänge zusammenhängt) ab. Das ist deswegen so, weil sich die Lesegewohnheiten verändert haben. Und die Lesegewohnheiten haben sich unter dem Einfluss der Medien verändert. Worauf die Medien wiederum reagieren müssen: Die Bilder müssen größer, die Texte kürzer werden (analog dazu müssen Rundfunksendungen "schneller" werden). Wenn der Text der Kulturseiten sich so reduziert hat, während gleichzeitig das Angebot an Kultur um 40 Prozent gestiegen ist - bedeutet das nicht, dass Kulturjournalismus irrelevant geworden ist, warf der ehemalige Zeit-Chefredakteur Roger de Weck in die Alpbacher Debatte. Sicher ist, dass Argumente weniger beeinflussen (wie altmodisch klingt das gute Ansinnen, "Geschmacksbildung" zu betreiben). Wichtig ist, dass ein Event vorkommt in den Medien. Da ist das große Bild oft wichtiger als der differenzierte Text. "Der Kritiker ordnet die Aussagen der Kunst in einen größeren Wirklichkeitszusammenhang ein" - Paul Jandl, Wien-Feuilleton-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, will an diesem Anspruch festhalten. Dass Literaturkritiken Bestseller weder machen und schon gar nicht verhindern können, zeigt, wie verzichtbar dieser Anspruch für den Kulturbetrieb geworden ist.

Der Einfluss der Medien auf Kunst und Kultur hat ein ganz anderes Gesicht: "Die Medien bestimmen und verändern unsere Weltwahrnehmung stärker als die Natur, und danach richtet sich auch die Kunst", so die Zentralthese von Franz Manola, Leiter der Hauptabteilung Informationstechnologie im ORF. Fernsehästhetik prägt vielfach schon Theaterinszenierungen, filmische Schnitttechniken halten Einzug in Romane. Nicht nur Bestsellern sagt man nach, dass sie mit Blick auf die Verfilmung geschrieben seien.

TV - Kultur für alle

"Das Fernsehen hat unser Verständnis dessen, was Kultur ist, was sie sein könnte oder zu sein hätte, grundlegend verändert", ist der Schriftsteller Iso Camartin, derzeit Leiter der Kulturabteilung beim Schweizer Fernsehen DRS, überzeugt. Das Fernsehen habe die Grenzen zwischen Hoch- und Unterhaltungskultur aufgelöst; es rückt ins Zentrum, was unsere eigentliche "Lebenskultur" ausmacht. Kultur ist für ihn so etwas wie "Sinn und Geschmack am Dasein", Aufgabe des Fernsehens "Kultur aus der Nische der Spezialisten und der Experten herauszuholen und sie zu einer Quelle für die Allgemeinheit zu machen".

Eines haben die Alpbacher Mediengespräche jedenfalls gezeigt: Wie Kultur in den Medien vorkommt, ist eine Testfrage für deren Funktion; wieweit sie selbst Kultur prägen und verändern, ist aber zweifellos die weit wichtigere Fragestellung. "Medien und Kultur" wäre ein falsches Thema: Die Medien sind selbst ein wichtiger Teil der Kultur.

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