Mediengeschichte(n)

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Der Kommunikationsgeschichte widmet sich die Zeitschrift "Medien und Zeit", die vor 20 Jahren gegründet wurde.

Als er 1986 die erste Ausgabe von Medien und Zeit las, hätte er geglaubt, ein Studentenprojekt in Händen zu halten, erzählt Wolfgang Langenbucher, Institutsvorstand der Publizistik an der Universität Wien. Tatsächlich konnte man aufgrund des äußeren Erscheinungsbilds der Zeitschrift zu diesem Schluss kommen. Die Seiten wurden kopiert und mit Leim zusammengehalten. Theodor Venus, Wolfgang Duchkowitsch und Fritz Hausjell, drei junge Kommunikationswissenschafter, waren die Verantwortlichen dieser neuen Publikation, die zu Beginn von ihnen selbst finanziert wurde. Sie waren davon überzeugt, dass das Thema Kommunikationsgeschichte bisher zu wenig Niederschlag innerhalb der Publizistik gefunden hat. Es bedurfte daher eines Forums der Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Teilbereich.

Keine Geschichtsangst mehr

Medien und Zeit war einerseits Symptom eines Generationenwechsel: "Sie war von Anfang an eine junge Zeitschrift, eine Art ,Graswurzelzeitschrift', mit vielen Beiträgen von Studierenden", so Langenbucher bei der Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen von Medien und Zeit. Andererseits stand die Publikation auch für den Aufschwung der Diszi-plin Kommunikationsgeschichte überhaupt. Medien und Zeit trug daher maßgeblich zur Theoretisierung des Faches bei. "Die Historiophobie in den Wissenschaften ist in den 80er Jahren langsam verschwunden", so Langenbucher weiter. Es war die Zeit, in der sich Österreich zum ersten Mal intensiv mit den braunen Flecken seiner Geschichte beschäftigte.

Bereits in der dritten Ausgabe erschien ein Artikel über die Berichterstattung zum Präsidentschaftswahlkampf in der Kronen Zeitung. "Wir haben die Auseinandersetzung um Kurt Waldheim gezielt thematisiert," erklärt Fritz Hausjell im Furche-Gespräch. "Dass wir heiße Themen nicht gescheut haben, ist mit Sicherheit ein Grund für den frühen Erfolg."

Die Festveranstaltung zum 20-Jahr-Jubiläum von Medien und Zeit ließ sich folgerichtig auf brisante Fragen ebenfalls ein. Die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz ging in ihrer Festrede mit dem erst kürzlich zu Ende gegangenen "Gedankenjahr 2005" hart ins Gericht. "2005 war für mich der Beweis, dass durch Überforderung Kritikfähigkeit in Frage gestellt werden kann." Das Projekt "25 peaces" habe Geschichte auf ein Unterhaltungsprogramm reduziert. Überhaupt sei es zu einem Ausschluss der Vergangenheit gekommen, statt sich mit dieser auseinander zu setzen.

Auch der Zeithistoriker Oliver Rathkolb meinte in der anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema "Europäische Erinnerungskultur", dass es nicht gelungen sei, die Grenzen der Zeit zu überspringen. "Im Mittelpunkt des Gedankenjahres stand die Zeit von 1945 bis 1955, das Davor wurde ausgeklammert." Kritik übte Rathkolb auch am fehlenden internationalen Bezug: Bei der Würdigung der Leistungen der Wiederaufbaugeneration sei auf die Bedeutung des Marshall-Plans nahezu vergessen worden. "Die Botschaft war: Wir haben es geschafft". Aber gerade dieser transnationale Aspekt sei für eine zukünftige europäische Erinnerungskultur wichtig. Doch in den Schulbüchern gebe es nach wie vor das Privileg für nationale Geschichte. In einer Änderung der Curricula sieht Rathkolb auch den Schlüssel für die Ausgestaltung einer europäischen Erinnerungskultur.

Avantgarde Journalismus

"Vom Journalismus kann man erwarten, dass er Teil gesellschaftlicher Avantgarde ist," erklärt Fritz Hausjell die Bedeutung des Fachs Kommunikationsgeschichte. Diese untersucht daher mit Hilfe der Inhaltsanalyse die mediale Aufbereitung bestimmter Themen, etwa die Berichterstattung über das Gedankenjahr. Und der Erfolg von Medien und Zeit zeigt, dass es diesbezüglich ein großes Interesse gibt. Schon im ersten Jahr erreichte die Zeitschrift eine Auflage von 300 Stück. Bereits 1987 wurde daher auf Offset-Druck umgestellt. Heute verweist Hausjell mit Stolz auf über 1200 Abonnenten. Auf dem schwierigen Markt der wissenschaftlichen Fachzeitschriften stellt "Medien und Zeit" deshalb eine Ausnahmeerscheinung im deutschsprachigen Raum dar. Mittlerweile wurden 80 Ausgaben mit einem Umfang von mehr als 4000 Seiten produziert. Erst kürzlich erfolgte der Relaunch des Webportals www.medienundzeit.at. An ein Ende der gedruckten Ausgabe ist trotz des virtuellen Angebots allerdings nicht gedacht.

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