Medienrecht als Waffe

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Umstritten: Justizminister Böhmdorfers Internationale Medienenquete

Im wahrsten Sinne des Wortes explosiv war die Stimmung bereits kurz nach den Einführungsworten des Justizministers bei der von ihm initiierten Internationalen Medienenquete zum Thema "Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz in der Europäischen Union" am frühen Montagvormittag. Eine Bombendrohung führte zur unverzüglichen Räumung des Budgetsaals im Parlament und erst nach einer Viertelstunde, in der die Polizei die Sicherheit des Tagungsortes überprüfte, konnten die rund 200 Teilnehmer wieder ihre Plätze einnehmen.

Die politische Atmosphäre war jedoch schon vor der Tagung geladen gewesen. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim hatte Dieter Böhmdorfer in einem "Informationsschreiben" an die ausländischen Gäste der Enquete scharf kritisiert und gemeint, der Minister selbst und sein Verhältnis zu den Medien müssten Gegenstand der Veranstaltung sein. Grünen-Justizsprecherin Terezija Stoisits stieß in dasselbe Horn und meinte, mit diesem Symposion werde "der Bock zum Gärtner gemacht".

Vor den internationalen Gästen war der Ton in der Auseinandersetzung zwischen Minister und Opposition dann aber doch um einiges sanfter. Böhmdorfer bedankte sich sogar für die Kritik, nachdem im Vorfeld Böhmdorfers Parteifreund FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky diese weniger dankbar als "faschistoid" abqualifiziert hatte. Aber auch SPÖ-Justizsprecher Jarolim gab sich coram publico um einiges handzahmer als von einigen erwartet beziehungsweise von den anderen befürchtet.

Die Diskussionsgrundlage der Medienenquete bildete eine Umfrage über die medienrechtlichen Bestimmungen zu Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz in neun EU-Staaten. Tenor der Untersuchung war, dass es in diesem Bereich noch überhaupt keinen Tenor in der Gesetzgebung der untersuchten Staaten gibt. Sogar in einem so fundamentalen Bereich wie der Unterscheidung zwischen Tatsachenbericht und Wertung liegen die Rechtsauffassungen in den einzelnen Ländern, so die Umfrage, fundamental auseinander. "Der Fragebogen verschweigt das Entscheidende", relativierte der Wiener Rechtsanwalt Georg Zanger die Ergebnisse der Umfrage in der anschließenden Diskussion jedoch sofort wieder. Die Untersuchung sei, für Zanger völlig unverständlicherweise, auf die Rechtsnormen gerichtet gewesen, sage aber nichts über die Rechtswirklichkeit in den jeweiligen Ländern aus. Österreich, so Zanger, der sich nach eigenen Worten seit 30 Jahren mit Medienrecht befasst, habe ausgezeichnete Pressegesetze, das heiße aber keinesfalls, dass es um die vorherrschenden Praxis ebenfalls so gut bestellt ist. Medienrechtliche Instrumente werden zunehmend als politische Waffe benutzt, kritisierte der Rechtsanwalt und mit der Klagerute im Fenster überlegen sich weniger finanzstarke Medien, ob sie es riskieren sollen, sich kritischer Themen noch anzunehmen. Resümee von Zanger: "Diese so hochgestochene Medienenquete hat ihr Ziel nicht erreicht."

Die Pause nutzte der Vorsitzende der Journalistengewerkschaft Franz C. Bauer in einer Pressekonferenz, um daran zu erinnern, dass "die Bestellung dieses Justizministers, der wie kein anderer zuvor Zeitungen geklagt hat, Programm ist". Unter keiner Regierung der Zweiten Republik habe sich die Situation der Pressefreiheit, der Medien und der Journalisten so verschlechtert wie unter der jetzigen, klagte Bauer: "Das ist inakzeptabel!"

Die Vorwürfe sind nicht neu. Böhmdorfer hatte schon in seiner Einleitung darauf geantwortet: Seit er Minister sei, habe er keine Klagen mehr eingebracht und ihm vorzuwerfen, er habe als Rechtsanwalt zuviele Verfahren gewonnen, sei nicht verständlich. Böhmdorfer: "Der Weg zu Gericht kann niemals unzulässig sein." Der schon von den drei EU-Weisen vorgebrachten Kritik, in Österreich könne man bei Beleidigungsklagen nicht an den Verfassungsgerichtshof appelieren, entgegnete der Justizminister mit der Möglichkeit, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen.

Dem setzte der deutsche Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem die positiven Erfahrungen mit der im Unterschied zu Österreich gängigen Praxis der Möglichkeit von Verfassungsbeschwerden in Deutschland entgegen, um mit einer Warnung zu schließen: "Einschüchterung verträgt sich nicht mit Demokratie", bevor er noch einen Wunsch hinzufügte: "Die Kraft eines demokratischen Rechtsstaates zeigt sich darin, die Pluralität der Meinungen und den Schutz des Einzelnen zu sichern. Die Kombination aus beidem möge Österreich gut gelingen."

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