Werbung
Werbung
Werbung

"Neue Waffe gegen Krebs" titelte "News" unlängst. "Der Streit der Ärzte" entbrannte - und "News" berichtete. Über schlechten Medizinjournalismus.

Die News-Coverstory über eine angebliche Wunderwaffe gegen Krebs und die darauf folgende News-Geschichte über den Streit der Ärzte können als Lehrstück für unkritische, ja unethische Medizinberichterstattung dienen. Wie man es nicht machen sollte - in vier Punkten:

1. Irrige Beweisführung

Der Erfolg der Stammzelltherapie wird anhand von zwei (vorläufig) geheilten Patientinnen dokumentiert. Nachdem Ärzte wie der Rektor der Medizinischen Universität Wien, Wolfgang Schütz, das Auslösen "völlig falscher Hoffnungen" kritisieren, reagiert eine der geheilten Patientinnen mit "einem berührenden Brief" an News und stellt darin fest, dass die Therapie durchaus "ein weiteres gutes Stück Hoffnung" biete. Als weiterer Beweis für die Wirksamkeit der Zelltherapie wird die Ehefrau von Carl Djerassi vorgeführt.

Ein seriöser Medizinjournalismus hingegen hätte nicht nur Einzelfälle berücksichtigt, sondern das vorhandene Datenmaterial offengelegt. Tatsächlich hat die Kremser Zelltherapie genau zwei von 23 Patienten wieder gesund gemacht - der Heilungserfolg liegt also bei weniger als zehn Prozent. Diese Zahl stimmt recht gut mit den Ergebnissen von anderen Studien überein: Fünf bis zehn Prozent der Patienten, die eine Zelltherapie bekommen, zeigen eine teilweise oder komplette Remission (wobei die Behandlungserfolge je nach Krebsart stark variieren können). Das klingt vielleicht nicht mehr nach einer "Wunderwaffe", die Methode hat aber durchaus therapeutisches Potenzial.

2. Seltsame Experten

"Professor Sepp Leodolter und Professor Johannes Huber erfanden die neue Krebstherapie", verkündete News vollmundig. In der internationalen Scientific Community der Krebsforscher dürften die "Wiener Top-Ärzte" kaum bekannt sein - kein Wunder, sie haben bisher keine einzige publizierte Studie zur Zelltherapie vorzuweisen.

Angesichts der massiven Kritik suchte News nach weiteren Zelltherapie-Verfechtern - und fand Carl Djerassi. Der Erfinder der Anti-Babypille gibt sich im Interview zwar als Nicht-Experte zu erkennen - O-Ton: "Ich bin doch nur ein einfacher Chemiker" -, doch das hindert News nicht daran, Zitate des "weltberühmten Wissenschafters" gegen die Aussagen anderer Onkologen und Mediziner in Stellung zu bringen.

3. Falscher Expertentreit

Mit einem weiteren Fürsprecher - einem richtigen Zelltherapie-Experten: dem deutschen Mediziner Thomas Neßelhut - halten sich so Freunde und Feinde der neuen Wundertherapie auch zahlenmäßig scheinbar die Waage. Bloß ein (ziemlich ausgeglichener) Expertenstreit also? Mitnichten. Der Kampf "Ärzte gegen Ärzte" existiert in dieser Form wohl gar nicht. Würde man Thomas Neßelhut fragen, warum er die Zelltherapie "bereits an der Schwelle zum Durchbruch" sieht, könnte er in etwa so argumentieren: Weil zum Beispiel zurzeit eine Studie über den schwarzen Hautkrebs bereits in der Klinischen Phase III ist. Eine Zulassung dieser Therapie scheint in zwei bis drei Jahren möglich.

Michael Ludwig, Chef-Onkologe am Wilhelminenspital, würde dem wohl nicht widersprechen und könnte gleichzeitig darauf beharren, dass es "leider noch keinen Durchbruch in der Zelltherapie" gibt. Für zahlreiche andere Krebsarten wird es noch sehr viele Jahre dauern, bis die Zelltherapie als etablierte Methode gelten darf. Auch das ist ein Faktum.

Der vorgebliche Expertenstreit verdeckt somit den wahren Grund für den Wirbel: Die als "Medizin-Sensation" gehypte Geschichte hat viele krebskranke Menschen verunsichert. Verzweifelte Patienten haben bei Krebshilfe und Onkologiezentren für heiße Leitungen gesorgt - weil in der News-Story völlig unklar blieb, wer genau zurzeit von der Therapie profitieren könnte (es sind nur sehr wenige).

4. Andere Motive

Der Medizinethiker Ulrich Körtner kritisierte Huber in der TV-Sendung im Zentrum für die angebliche Wundertherapie. News vermutete, dass Körtner damit Huber den Vorsitz in der Bioethik-Kommission streitig machen wollte.

Statt Körtner unlautere Motive zu unterstellen, hätte man bei Huber und Leodolter durchaus andere - sehr profane - Motive für den Lobgesang auf die Zelltherapie finden können. Während News betonte, dass die zwei Experten ihre Kompetenz im wissenschaftlichen Beirat von Cell Med Research "kostenlos" zur Verfügung stellen, wurde später bekannt, dass Huber und seine Frau zehn Prozent Anteile an der Firma hielten und Leodolter drei Prozent. Nun sind wirtschaftliche Interessen per se noch nichts Unmoralisches - Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten heute oft eng zusammen -, jedoch lässt dieses verheimlichte Detail die Story mittlerweile in einem anderen Licht erscheinen: als billige PR für ein Unternehmen, das eine Finanzspritze brauchte.

Fazit: "Mist"

Ernst Wolner, Chef des Obersten Sanitätsrates, meinte damals bei der TV-Diskussion zur ersten News-Story: "Es ist Mist im Hinblick, wie das dargestellt ist. Das ist schlechter Medizinjournalismus." Nach zwei solchen Geschichten muss man sagen: Vielleicht hat die Zelltherapie keine Nebenwirkungen, aber diese Krebstherapie-Berichterstattung ist zum Kotzen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung