mobile.culture.container

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Container touren durchs ehemalige Jugoslawien - und betreiben Medien- und Friedenserziehung

V ierzehn Container von sechs Meter Länge und zwei Container von drei Meter Länge, nach einem ausgetüftelten Plan im Kreis gestellt umschließen einen Innenraum mit einem Durchmesser von 20 Meter der von einer sieben Meter hohen Kuppel freitragend überdeckt wird. In den Containern befinden sich eine Bibliothek, ein Internet-Cafè, ein Video-Laboratorium, Büros, die Technik-Regie, eine Küche, ein Sanitärraum, Lager- und Werkstattflächen vollgestopft mit modernen Geräten. Eine Bühne mit Traversensystem, Licht-, Ton- und Videoanlage ermöglichen große und kleine Veranstaltungen.

Eigentlich nichts Außergewöhnliches, doch dieser mobile.culture.container zieht seit 17. März einem "Wandergymnasium" gleich quer durch die Länder des ehemaligen Jugoslawien: Mostar, Banja Luka, Subotica, Skopje, Podgorica, Bitola, Novi Pazar und NiÇs. Der Jugend in Ex-Jugoslawien sind die hierzulande vertrauten elektronischen Geräte großteils fremd: Für viele Jugendliche besteht erstmals die Möglichkeit, im Internet unzensuriert nach neuen Informationen und Kontakten zu suchen, selbst eine Zeitung zu gestalten, Radiobeiträge zu machen, mit Digitalfotografie zu experimentieren, ein kleines Theaterstück zu entwickeln und aufzuführen und vieles mehr. Die Moderatoren, junge Akademiker, mitten im Krieg aus ihrer Heimat geflohen, kommen selbst aus allen Regionen und Volksgruppen.

Hier geht es nicht um Unterhaltung, sondern um die Zukunft der Jugendlichen in Ex-Jugoslawien. Der von Freimut Duve, OSZE-Verantwortlicher für die Freiheit der Medien, initiiert "Fonds Verteidigung unserer Zukunft" will die Jugendlichen dazu animieren, die bestehenden Verhältnisse kritisch zu hinterfragen, die durch die Kriege errichteten Gräben und Mauern zu überwinden und die eigenen Wünsche und Bedürfnisse auf vielfältige Weise zu artikulieren. Selbstorganisation jugendlicher Projekte und die Befähigung, technische Möglichkeiten dafür zu nutzen sind der Weg dorthin.

Die Situation der Jugendlichen ist oft trist: Es gibt keine moderne Ausbildung, statt dessen werden in den Schulen noch immer die "alten" nationalistischen Vorurteile gepredigt, Arbeit gibt keine, das wenige Freizeitangebot gibt es nur in den größeren Städten. Korruption, Selbstblockade und Gesetzlosigkeit verhindern oft, dass eine eigene Meinung entwickelt werden kann. So ist es nicht verwunderlich, dass laut einer von der UNO durchgeführten Umfrage 60 Prozent der Jugendlichen auswandern möchte.

Der mobile.culture.container tourt heuer bereits zum zweiten Male. Im Vorjahr machte er in Tuzla, Osijek, Cacak und GoraÇzde für jeweils etwa einen Monat halt und konnte interessante Ergebnisse konkrete Erfolge vorweisen. Ein Fotoworkshop unter dem Motto "Die Stadt ist mein" machte sich auf die Gesichter der Stadt. In Tuzla blickten auf allen von den Jugendlichen für die Ausstellung zum Workshop gewählten Bildern die Menschen ernst, in Cacak wurden lächelnde, meist weibliche Gesichter gewählt und in GoraÇzde ausschließlich Kindergesichter. Eines verband alle Städte: die Generation der 30- bis 50-Jährigen, die Kriegsgeneration, fehlte völlig.

In Tuzla bildete sich die Gruppe der "Probodeni" ("Die Erweckten"), die als gemeinsame Aktion den Stadtpark säuberte. Weiters stellten die Jugendlichen ein Jugendparlament auf die Beine. In Cacak wurde eine Schülerzeitung gegründet, an der Technischen Oberschule der bisher fehlende Computer-Lehrraum eingerichtet, in GoraÇzde und ViÇsegrad wurden ebenfalls Schülerzeitungen gegründet. Und der Kontakt zwischen den oft isolierten Jugendgruppen würde gefördert.

GoraÇzde und ViÇsegrad liegen im schmalen von der Drina gegrabenen Tal nur 35 Kilometer auseinander und dennoch gab es keinerlei Kontakt zwischen beiden Städten. Aus dem nun zur bosnischen Republika Srpska gehörenden ViÇsegrad wurden alle Bosniaken vertrieben im einst von serbischen Truppen belagert GoraÇzde leben keine Serben mehr. Dem Container-Team, das in GoraÇzde seine Kuppel aufgeschlagen hatte, war es gelungen Schüler aus dem Ivo Andri´c-Gymnasium in ViÇsegrad einzuladen. In den Workshops wurden erste Kontakte geknüpft. Und natürlich gingen die Gäste in die Stadt, obwohl es die Eltern verboten hatten. Seit Kriegsbeginn waren sie dort nicht gewesen, einige waren dort geboren und zeigten ihren Mitschülern und "Gastgebern" ihre Geburtshäuser. Bands der Schülergruppen veranstalteten ein gemeinsames Konzert und 300 Jugendliche aus beiden Städten sangen friedlich aber lautstark alle Lieder mit.

So wertvoll die Anstöße durch den mobile.culture.container sind, so wird nur eine weitere Unterstützung der Jugendlichen in Ex-Jugoslawien deren Zukunft sichern, ohne dass sie auswandern müssen. Für die diesjährige Tour wurde die Latte auch etwas höher gelegt: In jeder Stadt soll zumindest eine Schülerzeitung gegründet werden und durch deren Vernetzung der Dialog zwischen den Jugendlichen der verschiedenen Regionen und Volksgruppen in Gang gebracht werden. Ein weiteres Jahr noch könnte der Container Kristallisationspunkt für die Jugendlichen sein. Dann liegt es am Engagement von Institutionen, Sponsoren und Privatpersonen in Europa, ob diese Jugendlichen beim Ringen um ihre Zukunft nicht alleine gelassen werden.

Weitere Informationen unter: http://www.mobile-culture.org

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