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Weblogs sind ein zunehmend beliebter Weg, seine Interessen online mitzuteilen. Doch nicht nur Privatpersonen nützen die Technologie.

B in eigentlich zu müde, zu verängstigt und zu ausgebrannt, um irgendwas zu schreiben. Wir sind wieder rausgegangen, um nachzusehen, was getroffen wurde. [...] Ich kann das Fernsehen nicht mehr ertragen und die Lügen, die in den Nachrichten verbreitet werden. Keine guten Nachrichten, egal wohin man sich wendet." Am 2. April 2003 berichtet "Salam Pax" aus Bagdad, wenige Tage nach Beginn der amerikanischen Invasion - eine private Stimme als Gegenpol zu den großen Fernsehsendern. Dass der irakische Blogger mit dem friedlichen Pseudonym, im "wirklichen Leben" junger Architekt aus Bagdad, zu Weltruhm gelangte, lag an den politischen Umständen. Salam Pax, der mit seinem Weblog "Dear Raed" bereits lange vor Kriegsbeginn von seinem Bagdader Alltag berichtet hatte, war ein Geheimtipp unter Bloggern - bis die New York Times auf ihn aufmerksam wurden, die Welt kollektiv an seiner Authentizität zweifelte und, nach dem Echtheitsbeweis, der Guardian ihn zu einer zweiwöchentlichen Kolumne verpflichtete.

Tagebuch als Wahlwerbung

Salam Pax berichtete mit Hilfe einer Content Management Software - einem Weblog. Die Internet-Enzyklopädie Wikipedia erklärt den Begriff als ein Kunstwort aus "Web" (Netz) und "Logbuch". Der Schreibende ist ein "Blogger", oft Teil einer eingeschworenen Gemeinde, die sich durch Querverweise und gegenseitige Kommentare konstituiert. Wer hier blättert, verbringt womöglich Stunden vor dem Computer und liest: Von tagebuchartigen Einträgen über periodisch erscheinende Fachartikel, untereinander vernetzt und kommentierbar. Ernstzunehmen ist das Phänomen Weblog schon lange. US-Präsidentschaftskandidat Howard Dean nutzte es in seinem Wahlkampf, ebenso Benita Ferrero-Waldner, die mit einem Weblog Einblicke in ihr tägliches Wahlwerbeleben bot. Im Online-Tagebuch des Grün-Abgeordneten Peter Pilz (www.peterpilz.at) sind derzeit nur Kärntner Urlaubsimpressionen zu lesen.

Rotes Kleid, grüne Schuhe

Zu Marketingzwecken betreibt die Firma Mattel einen Barbiepuppen-Blog: Eine kleine Gemeinde liest und kommentiert hier den simulierten Alltag von Barbie und Ken - und hier ist es auch, wo hin und wieder sondiert wird: Welche Haarfarbe soll die neue Barbie bekommen? Rotes Kleid oder grüne Schuhe? Der Wert an dieser Form der Meinungsforschung liegt im geringen Streuverlust von Weblogs: Den Barbie-Blog liest nur, wer sich dafür interessiert.

Der Wiener Thomas N. Burg, Leiter des Zentrums für Neue Medien an der Donauuniversität Krems, hat Anfang Juli 2004 die zweite internationale Weblogkonferenz "BlogTalk 2.0" organisiert. Burg, selbst seit etwa zweieinhalb Jahren begeisterter Blogger (http://randgaenge.net), berichtet: Im deutschsprachigen Raum seien Weblogs noch kein großes Thema - dafür sind Tschechien, Polen, der Iran Blogger-Zentren, die man nicht vermuten würde. Die österreichische Szene schätzt der Experte auf etwa 1.500 Weblogs, ein kleiner Teil der weltweit etwa fünf Millionen Blogs.

Kulturpessimistische Ansätze, die einen Untergang der Schriftkultur zugunsten einer Bildkultur beklagen, mögen angesichts dessen fehl am Platz sein: Nach wie vor ist das Internet vor allem ein Schriftmedium, das sich weniger durch seine Multimedialität als durch die Vernetzung auszeichnet - eine gigantische Datenbank, an der alle Benutzer mitarbeiten, stellt Thomas Burg fest. Dass Lesen und Schreiben wichtige Kulturtechniken bleiben, scheint trotz aller Unkenrufe gesichert.

Gerade durch die Möglichkeit von Weblogs und anderer "social software" (etwa Chatprogramme, ICQ oder Instant Messenger von AOL) wird ein Ort geschaffen, wo - wie es vor 30 Jahren vielleicht noch weniger war - privat und täglich nicht nur gelesen, sondern auch geschrieben wird. Und zwar auch von Menschen, die das sonst kaum tun würden, etwa der 15-jährigen Erica aus Zanesville, USA, (http://one-n-onli.blogdrive.com), die ihren Freundinnen via Weblog vom Kinobesuch mit dem Verehrer erzählt. Und auch der vielfach tot gesagte Autor lebt hier wieder auf, wie der ORF-Journalist Gerald Heidegger in seinem Blog http://betablogger.antville.org feststellt. Das Internet als Heilsmedium? Nicht unbedingt - doch Heidegger formuliert: "Würde Karl Kraus heute leben, würde er wahrscheinlich keine Zeitschrift im Print-Format herausgeben, sondern ein Weblog betreiben."

Puppen oder Politik

Das Einrichten eines ersten Weblogs dauert knapp fünf Minuten, unkomplizierte Anleitungen helfen, rasch erste Beiträge zu verfassen - nun muss der Schreiber noch ein Thema finden: Barbiepuppen, Politik oder das eigene Privatleben. Zu veröffentlichen etwa auf www.twoday.net, www.20six.de oder http://blogg.de.

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