Ökonomie hat Vorrang

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Kritische Anmerkungen eines Medienwissenschafters zu den Plänen der neuen Regierung.

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Kritische Anmerkungen eines Medienwissenschafters zu den Plänen der neuen Regierung.

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Das VP-FP-Koalitionspapier ist besonders bei der Publizistikförderung, also der Förderung von zumeist gesellschaftspolitischen, finanziell darbenden Zeitschriften unbefriedigend. Sie werde "hinsichtlich ihrer Effizienz, Effektivität und Wirtschaftlichkeit überprüft." Angesichts des Verhaltens von ÖVP- und FPÖ-Vertretern im Beirat der Publizistikförderung in den letzten Jahren, vor allem der Einengung des politischen Spektrums der förderwürdigen Publizistik, wäre ein klärender Satz hilfreich gewesen.

Dieser folgte am 25. Februar - von Peter Westenthaler im Standard: Mit der Förderung sei "viel Mißbrauch betrieben worden". Er meinte damit das Tatblatt, das auf FPÖ-ÖVP-Betreiben nicht mehr gefördert wird. Zwar solle man die Publizistikförderung nicht abschaffen, "aber man soll nicht die Sargnägel dieser Republik fördern". Von weltoffener Haltung zeugt dies nicht, schon gar nicht von einer Einsicht in die Notwendigkeit stark abweichender Positionen in der gesellschaftlichen Debatte.

Das Rundfunkgesetz wird in ein ORF-Gesetz umgewandelt. Erfreulich ist, daß der öffentlich-rechtliche Auftrag gestärkt werden soll: Information, Bildung, österreichische Kultur und Kunst, Wissenschaft und Technologie sowie österreichische Unterhaltung. Es wird aber nicht angedeutet, was unter "österreichisch" zu verstehen ist. Die im gesamten Regierungsprogramm spärlichen Aussagen zu Medieninhalten erschöpfen sich beim ORF-Gesetz in der Feststellung, daß "die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu hohen Standards bei der Objektivität und Unparteilichkeit zu stärken" sei.

Dabei fällt auf, daß im Abschnitt über das beabsichtigte österreichweite Privat-TV keine Zeile auf programmliche Ziele aufgewendet wird, während der alte SP-VP-Regierungsentwurf wenigstens einige inhaltliche Standards definieren wollte. Der Schluß daraus: Privates Fernsehen in Österreich soll vor allem ermöglicht werden, es soll technisch nicht benachteiligt sein, aber bei der Programmgestaltung stellt diese Regierung keine Ansprüche.

Man zielt im TV-Bereich auf die Etablierung eines dualen Systems ab, ohne dieses genauer zu charakterisieren. Es bleibt völlig offen, welche Ziele mit dem Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem ORF und privatem Fernsehen erreicht werden sollen.

Die Aussagen zum Hörfunk sind da viel eindeutiger. Österreichweites Privatradio soll ermöglicht werden, ohne zu klären, wie sich angesichts dieser neuen Konkurrenz die ökonomisch schwachen privaten Regionalradios weiterentwickeln können. Offen bleibt im Koalitionsabkommen auch, welche Sendefrequenzen dafür gedacht sind. Ob die Regierung etwa dem ORF die Radiofrequenzkette, auf der FM4 läuft, wegnimmt und diesen Sender auf den Ballungsraum Wien beschränkt, klärt das Regierungspapier nicht. Die Betreiber privater Radios fordern, vom Regierungspapier zumindest nicht entmutigt, weiter die FM4-Frequenzkette.

Seit ihrem Regierungsantritt attackiert die FPÖ systematisch Journalisten, die in deren Augen FP-kritisch berichten. Das hatte freilich schon früher System: Wenn Jörg Haider politisch in die Enge kam und die mediale Kritik dichter wurde, griff er regelmäßig Medien an. Klubobmann Westenthaler wählt derzeit im Schutz der Immunität den Weg, einzelne Journalisten öffentlich anzuprangern und Vorwürfe trotz Entkräftung zu wiederholen. Die vielen Äußerungen gegen ORF-Journalisten wurden mittlerweile von der ORF-Redakteursversammlung der TV-Information als "unternehmensschädigend" bezeichnet. Westenthaler sitzt im Kuratorium des ORF und handelt, als wolle er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk demontieren. Franz Morak, als ÖVP-Staatssekretär eigentlich für Medienfragen zuständig, sollte bald Position beziehen und das Interpretationsvakuum des Medienpapiers der Koalition nicht durch Westenthalersche Äußerungen auffüllen lassen.

Die das Kapitel "Medienentwicklung" im Regierungsprogramm einleitenden zwei Absätze sind tatsächlich programmatisch: Es werden nur ökonomische und technische Aspekte thematisiert. Die folgenden Abschnitte folgen diesem Grundsatz, nämlich dem Vorrang des Ökonomischen gegenüber den Aufgaben und Funktionen von Medien für die moderne Gesellschaft oder für den einzelnen.

Im Bereich Medien sind die Vorhaben der Regierung also wenig gestaltend konzipiert. Die propagierte "Liberalisierung" ist ein altes und für den Medienbereich nur bedingt taugliches Konzept. Visionen enthält hier das VP-FP-Programm keine.

Angesichts der jüngsten FP-Aussagen ist es höchste Zeit, das Verhältnis der Freiheitlichen zu den Medien genauer anzuschauen. Welcher Geist steckt hinter den wiederholten und jetzt drastisch intensivierten Angriffen auf Journalisten, welche Rolle gesteht diese Partei den Medien in der Gesellschaft zu? Auch die ÖVP, die derzeit offenbar nur die Ökonomie der Medien vor Augen hat, sollte die ideologischen Positionen des Koalitionspartners in puncto Medien genau ansehen; sie hat Mitverantwortung für das Kommende.

Der Autor ist Medienwissenschafter an der Universität Wien und am FH-Studiengang Telekommunikation und Medien in St. Pölten.

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