Österreichs Film: Der Generatione wechsel

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"Im österreichischen Film vollzieht sich ein Generationenwechsel, der nachhaltiger ist als alles, was die letzten 20 Jahre passiert ist.

Die Hanekes, Seidls und Glawoggers sind nicht mehr das Maß aller Dinge; die Internet-Generation hat ihre eigenen Idole, und die Absolventen der Filmakademie erzählen ihre eigenen Geschichten.

Weder Filmemacher, noch Festivalleiter, Filmverleiher oder Politiker haben das Maß an Erfahrung, die es gebraucht hat, um den österreichischen Film künstlerisch so groß zu halten, wie er heute ist."

Die Tatsache, dass so manche 10-jährigen Kinder Arnold Schwarzenegger nicht mehr kennen, was eine Blitz-Umfrage im Bekanntenkreis ergab, ist noch kein Indiz für einen Generationenwechsel und eine Erneuerung in der Riege österreichischer Filmschaffender; immerhin sind viele Filme Schwarzeneggers erst ab 12 oder 16 Jahren freigegeben, aber doch schwingt da ein leiser Unterton von Altbackenheit mit, schon allein, wenn einem die 11-jährige Gymnasiastin mit wirklicher Ahnungslosigkeit und voller Überzeugung sagt: "Schwarzenegger? Den Namen habe ich ja noch nie gehört. Klingt komisch."

Der 70-jährige Weltstar, der abseits der Kinoleinwand auch sonst viel mediale Präsenz hat, illustriert damit einen grundlegenden Wandel in der Mediennutzung: Selbst Kinder kommen aus der Social Media-Blase, in der sie existieren, kaum mehr heraus, das wird auch an solchen Beispielen deutlich. Die Kids himmeln heute Teenager an, die auf Youtube Blödsinn machen; gegen "Die Lochis" & Co. kommt Arnie nicht mehr an.

Eine Riege neuer Gesichter

Dennoch vollzieht sich gerade auch im österreichischen Film ein Generationenwechsel, der nachhaltiger ist als alles, was die letzten 20 Jahre passiert ist. Plötzlich sind die Hanekes, Seidls, Spielmanns und Glawoggers nicht mehr das Maß aller Dinge; die Internet-Generation hat ihre eigenen Idole, und die Absolventen der Filmakademie erzählen ihre eigenen Geschichten; ein natürlicher Vorgang, möchte man meinen, aber einer, der unvermutet kommt, weil man sich zu sehr an die Erfolgsstrategie des österreichischen Films gewöhnt hat. Da waren die unzähligen Festivalteilnahmen von den ganz Großen und auch ihren Schülern wie Barbara Albert, Jessica Hausner, Ruth Mader, Virgil Widrich, da waren Oscar-Nominierungen und -Gewinne, da gab es Cannes-Palmen und Berliner Bären.

Und plötzlich ist diese Generation konfrontiert mit einer Riege neuer Gesichter, die mit viel Verve und Entschlusskraft ebenfalls das Feld der Filmemacherei entern, das seit der digitalen Revolution so schön demokratisiert wurde. Katharina Mückstein etwa, die mit "L'Animale" auf der Diagonale zu sehen sein wird, einem sensibel beobachteten Comingof-Age-Drama. Oder der wunderbare "Die beste aller Welten" von Adrian Goiginger, der beim Österreichischen Filmpreis richtig abräumte. Oder "Zauberer" von Sebastian Brauneis, ein rotziges Episodendrama rund um einen entführten Buben. Oder der actiongeladene "Cops" von Stefan A. Lukacs, der den belastenden Polizei-Alltag bei der Elitetruppe "Cobra" zeigt. Das sind Filme, die haben mit dem in den letzten 20 Jahren aufgebauten Image des österreichischen Films nur mehr sehr wenig gemein. Sie zeigen plötzlich eine Vielfalt, die man innerhalb der klar abgesteckten bisherigen Grenzen nicht wahrnahm: Es gibt in Österreich jetzt viele begabte Filmemacher, die neue Wege einschlagen und alte Pfade verlassen.

Der relativ ruckartige Generationenwechsel vollzieht sich aber nicht nur auf den Regie-Stühlen der Filmproduktionen, sondern auch weit hinter der Kamera, wo Kulturmanager, Mäzene und Förderer arbeiten. Die Diagonale machte 2015 den Anfang, als mit Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber ein juveniles Intendanten-Duo installiert wurde. Die beiden, von vielen liebevoll die "Diagonale-Buben" genannt, sind angetreten, um der Diagonale eine "Frischzellenkur" zu spendieren, was ihnen in Teilen bereits gelungen ist, in anderen noch nicht: So richtig weg vom Image eines Festivals mit Werkschau-Charakter kam die Diagonale bislang nicht.

Pro und Kontra Werkschau

Durch diesen Werkschau-Charakter wird auch erschwert, ihr über die Intendanz ein schärferes künstlerisches Profil zu verpassen. Zugleich ist er aber auch der Garant, die ganze (neue) Vielfalt des Austrofilms abzubilden, egal ob Kunst oder Kommerz.

Ein Spannungsfeld, um das sich Eva Sangiorgi vermutlich weniger wird kümmern müssen, wenn sie im Herbst ihre erste Viennale leiten wird. Die 40-jährige Italienerin, die bisher das Festival "Ficunam" in Mexiko leitete, wechselt nach dem plötzlichen Tod von Langzeit-Festivalchef Hans Hurch auf Wunsch der Viennale nach Wien; sie stach aus all den 40 Bewerbungen offenbar besonders hervor, fühlte sich bei ihrer Vorstellung Mitte Jänner aber sichtlich noch etwas fremd in der Hauptstadt; vielleicht auch, weil sie noch kein Deutsch spricht, aber das gelobt sie, bis zur Viennale zu erlernen. Ehrgeizig ist dieser Plan schon, aber zumindest vom Filmgeschmack her dürfte Sangiorgi in Hurchs Fußstapfen treten -die beiden hatten stets ein ausgezeichnetes Verhältnis, hört man.

Von der Viennale bis zum Filmmuseum

Die Entscheidung für Sangiorgi ist im Übrigen ein Umstand, der bis Berlin ausstrahlt: Dort sucht man "händeringend" (ein Insider) nach einem neuen Berlinale-Chef, wenn Dieter Kosslick 2019 das Feld räumen wird. Aber: "Es ist niemand geeignet, der sich bisher beworben hat", heißt es. Vielleicht ein Anstoß für junge Österreicher, auch dort einen Generationenwechsel einzuläuten und sich zu bewerben.

Sogar in der Verleiher-Szene greift die Erneuerung um sich: Mit dem "Filmgarten" gibt es einen neuen, kleinen Arthaus-Filmverleih am Markt. Sein Chef Pierre-Emmanuel Finzi will "mit Sorgfalt einige erlesene Filme pro Jahr auf die österreichischen Leinwände bringen". Änderungen gab es nach dem Abgang von Claus Philipp als Chef des Stadtkino-Filmverleihs, wo nun der bisherige Geschäftsführer des Gartenbaukinos, Norman Shetler, mit der Leitung von Kino und Verleih betraut ist. Shetler bleibt auch dem Gartenbaukino erhalten, und über allem wacht die Viennale als Betreiberin der genannten Wiener Kultkinos.

Auch im Österreichischen Filmmuseum weht ein frischer Wind. Dort ist seit Herbst Alexander Horwaths Nachfolger Michael Loebenstein mit viel Elan bei der Sache, dem Filmmuseum einen noch schärferen Charakter als Cinemathek zu verleihen. Loebenstein trat sein Amt allerdings an, es im Geiste Horwaths weiterzuführen; immerhin begann Loebensteins Karriere im Filmmuseum unter Horwath, bevor er dann das australische Filmarchiv leitete. Nicht zuletzt ist auch in der Kulturpolitik ein frischer Wind eingekehrt: Mit erst 36 Jahren hat Gernot Blümel in der Regierung von Sebastian Kurz die Kultur-Agenden übernommen und reiste während der Berlinale nach Berlin, um dort beim traditionellen Empfang des österreichischen Botschafters auf Tuchfühlung mit der Filmbranche zu gehen. Blümel brachte allerdings die wenig optimistische Botschaft mit, dass es im Filmbereich wohl keinen neuen Geldsegen geben werde, im Gegenteil: "Ich werde mich bemühen, dass beim Film nicht gespart wird", sagte er zu den Gästen. Das heißt wohl: Es wird also gespart werden müssen.

Auslassungen in der Nachwuchspolitik

Die Verjüngung auf allen Ebenen offenbart nun aber auch Lücken, die es zu füllen gilt. Weder Filmemacher, noch Festivalleiter oder Filmverleiher, noch Politiker haben das Maß an Erfahrung, die es gebraucht hat, um den österreichischen Film künstlerisch so groß zu halten, wie er heute ist. Die Gefahr eines Zurückfallens im internationalen Vergleich ist durchaus gegeben: Zwar legen viele junge Regisseure handwerklich außerordentlich gute Filme vor, aber es mangelt ihnen noch an Handschrift. Zwar sind junge Gesichter bei Festivals adrett anzusehen, aber eine wirkliche Prägung, bis einer Institution ein Stempel aufgedrückt werden kann, dauert nun einmal meistens so lange, bis die Haare grau sind. Das Problem ist offenbar darin begründet, dass es zu Auslassungen in der Nachwuchspolitik gekommen ist, weil keine kontinuierliche Nachwuchsarbeit erfolgte.

Da landet der Spielball der Verantwortung schnell bei der Politik: Wenn man mehr Fördergelder in die Ausbildung gesteckt hätte, wären junge Talente kontinuierlicher nachgewachsen. Aber Filmemacher, die alle fünf Jahre einen Film machen können, sind kaum imstande, sich zu entwickeln. Das ist aber die Realität im österreichischen Film. Genauso die verkrusteten Strukturen in kulturellen Ämtern, die bisher neue Impulse bei den Institutionen verunmöglichten.

Die Gefahr, dass die neuen Jungen sich nun im Hamsterrad totlaufen, ohne substanziell etwas verändern zu können, besteht jedenfalls.

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