Österreichs Trümpfe

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Seit 10 Jahren wurde kein Film aus Deutschland nach Cannes eingeladen. Österreich ist beim heurigen Festival (14.-25. Mai) gleich mit fünf Filmen vertreten.

Dass sich der ORF zu einem Schwerpunkt über Michael Hanekes Filme durchgerungen hat, war längst überfällig: Haneke, dessen Filme mittlerweile regelmäßig nach Cannes eingeladen werden, gewann dort schon vor zwei Jahren mit "Die Klavierspielerin" drei der Hauptpreise. Heuer ist sein neuer Film "Wolfzeit" eine der Hauptattraktionen des Festivals. Doch der Film läuft außer Konkurrenz und hat somit keine Chance auf einen Preis. "Das bedaure ich sehr", sagt Michael Haneke. "Der Film war schon fix in den Wettbewerb eingeladen, doch dann wurde Patrice Chéreau, der in Wolfzeit' als Darsteller dabei ist, zum JuryPräsidenten in Cannes ernannt." Aufgrund dieser Unvereinbarkeit wurde "Wolfzeit" wieder aus dem Bewerb ausgeladen.

Dennoch trübt das nicht die (späte) Freude über Hanekes internationale Erfolge. Typisch österreichisch: Erst jetzt, da sich der Regisseur als einer der wichtigsten Filmemacher Frankreichs etabliert hat (im Sommer dreht er in Paris seinen nächsten Film "Caché" mit Daniel Auteuil und Juliette Binoche), wiederfährt ihm auch in der Heimat mehr und mehr Anerkennung. Der ORF zeigt im Mai und Juni sechs Arbeiten von Österreichs wichtigstem Regie-Export, darunter "Benny's Video", "Funny Games" und auch "Die Klavierspielerin". Außer "Die Klavierspielerin" flimmern Hanekes Filme allesamt zu mitternächtlicher Stunde über den Bildschirm. "Mich freut es, wenn viele Menschen meine Filme sehen können. Dafür mache ich sie ja", sagt Haneke. "Aber ich fürchte, dass nach Mitternacht nicht besonders viele zusehen werden."

Dafür wird die "Wolfzeit"-Premiere in Cannes wohl bis auf den letzten Platz gefüllt sein. Haneke drehte wieder in französischer Sprache, besetzte erneut Frankreichs Top-Stars Isabelle Huppert und Benoît Magimel, filmte aber in Wien und dem Burgenland. Das unter anderem von Veit Heiduschkas Wega-Film produzierte Drama erzählt von einer Katastrophe in einer Großstadt, die die Menschen zwingt, aufs Land zu flüchten. Doch dort beginnen erst die wahren Probleme. Haneke widmet seine filmische Apokalypse der Wohlstandsgesellschaft. "Gewöhnlich hören wir von weit entfernten Gefahren, die unsere hochtechnologisierte Gesellschaft kaum betreffen. Ich wollte hingegen zeigen, was passiert, wenn in unseren behüteten Breiten plötzlich Chaos herrscht", sagt Haneke, dessen Drehbuch zu "Wolfzeit" schon vor den Anschlägen vom 11. September 2001 entstand. "Durch diese tragischen Anschläge ist es überhaupt erst möglich geworden, den Film zu finanzieren."

Erfolg für "Amour fou"

Die eigentliche Sensation in Cannes: Von der erst vor eineinhalb Jahren gegründeten Wiener Filmproduktionsfirma "Amour Fou" von Gabriele Kranzelbinder und Alexander Dumreicher-Ivanceanu wurden gleich vier (!) Produktionen nach Cannes eingeladen: Filmstudentin Ruth Mader, bereits 2001 mit dem Kurzfilm "Nulldefizit" in Cannes vertreten, wird in der Reihe "Un certain regard" ihr Langfilmdebüt "Struggle" (Diplomfilm an der Wiener Filmakademie) vorstellen. Darin taucht die Regisseurin in konträre Arbeitswelten ein und erzählt von einem zunehmend schärfer werdenden Existenzkampf in unserer Gesellschaft. Mader drehte mit vielen Laiendarstellern nach einem Drehbuch, an dem auch Barbara Albert mitgeschrieben hat.

In der Reihe "Quinzaine des Réalisateurs", in der ungewöhnliche filmische Arbeiten gezeigt werden, die außerhalb der Norm stehen, ist die österreichisch-französische Koproduktion "Pas de repos pour les braves" von Alain Guiraudie zu sehen, der einem jungen träumerischen Mann durch eine existenzielle Irrfahrt folgt. Auch Bady Mincks Festivalerfolg "Im Anfang war der Blick", der aus hunderten Postkarten ein ganz eigenes Österreichbild formt, wird in der "Quinzaine" gezeigt. Und der Salzburger Filmemacher und Multimedia-Produzent Virgil Widrich, dessen Kurzfilm "Copy Shop" 2002 für den Oscar nominiert war, wird seinen experimentellen Kurzfilm "Fast Film" präsentieren, in dem er Verfolgungsjagd-Szenen aus alten Filmen auf animierte OrigamiFaltobjekte aufprojiziert hat. Drei Jahre hat Widrich an der komplizierten Animation gearbeitet, jetzt darf er auf eine Goldene Kurzfilm-Palme hoffen.

Detail am Rande: Während Österreichs Filmemacher in den letzten Jahren Dauergäste in Cannes waren, sind es die großen Nachbarn, deren filmisches Ego darunter leidet: Zum zehnten Mal in Folge wurde kein einziger deutscher Film zum Wettbewerb um die Goldene Palme eingeladen.

www.festival-cannes.fr

www.amourfou.at

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