"Online muss ein digitales Kraftwerk werden"

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Ohne Online-Präsenz sind Printmedien künftig nicht mehr denkbar - meint eine weltweite Chefredakteurs-Umfrage.

Es gab eine Zeit, da musste man als Internet-User keinGeld dafür bezahlen, um an die journalistischen Inhalte von New York Times & Co. zu gelangen. Die Verlage machten sich mit den Internet-Auftritten ihrer Publikationen selbst Konkurrenz - denn wer die Zeitung nicht kaufen wollte, las eben die Artikel einfach online nach - bis man Geld dafür verlangte. Der Denkfehler dieser Entwicklung, die heute weitgehend passé ist: Das Internet als 1:1-Kopie der Zeitung zu sehen.

Die Vernetzung zwischen Online-Auftritten und den dazugehörigen Print-Produkten in Form einer sich gegenseitig ergänzenden Strategie ist in eine neue Ära eingetreten: Der vom internationalen Forum der Chefredakteure initiierte "Redaktionsbarometer", eine Umfrage unter 700 leitenden Zeitungsredakteuren aus aller Welt, zeigt: 86 Prozent der Befragten glauben, reine Printprodukte ohne integrierte Onlineredaktion würden keine Zukunft haben.

Kostenintensiv

Dass der Online-Auftritt für viele Verlage anfangs ein teurer Spaß war, ist bekannt. Doch laut "Redaktionsbarometer" steht die Zeit großer Investitionen erst bevor: Spezielle Online-Schulung der Journalisten und Investitionen in redaktionelle Qualität machen den Internet-Auftritt nach wie vor zum kostenintensiven Verlagsgeschäft. "Die Skandinavier zeigen, dass man mit Online schon ordentlich verdienen kann. Dort macht das schon ein Drittel der Erlöse aus", sagt Hubert Patterer, Chefredakteur der Kleinen Zeitung. "Ein Millionengrab schaufelt à la longue der, der Online vernachlässigt und nicht ordentlich journalistisch hochrüstet." Investition sei notwenig, weil "es sich kein zukunftsfähiges Zeitungshaus leisten können wird, die Inhalte einen Tag zurückzuhalten, nur weil bedauerlicherweise die Zeitung nur einmal am Tag erscheint", so Patterer.

Auch andere verdienen bereits gut: Die Schweizer Plattform 20min.ch finanziert sich ausschließlich über Werbung und schreibt mit ihrem multimedial konzipierten Nachrichtenportal deutliche Gewinne. Auch beim heimischen Internet-Pionier derstandard.at klingelt die Kasse: "Wir sind als eigenständige Firma organisiert und machen mittlerweile gute Geschäfte", verrät Gerlinde Hinterleitner vom Vorstand der Bronner Online AG. derstandard.at macht seit vier Jahren bei einem Umsatz unter zehn Mio. Euro steigende Gewinne. 6,5 Mio. Visits verbucht man pro Monat.

Synergien Print-Online

Auch am Boulevard boomt Online. Mit dem Österreich-Onlineportal www.oe24.at (derzeit 1,4 Millionen Besucher/Monat) verfolgen die Macher rund um Wolfgang Fellner das Konzept der engen Verzahnung mit dem Printtitel. "Ohne Online ist eine Zeitung heute nicht mehr denkbar", sagt Christian Nusser, vormals Leiter von oe24.at und nun einer der Chefredakteure des Blattes. "Es ergeben sich Synergien, man kann eine Nachrichtenentwicklung über 24 Stunden lang mitverfolgen und vertiefen."

Bei der Printausgabe des Standard ist die Online-Redaktion ebenfalls stark eingebunden. "Zwar sind die Unternehmen getrennt, aber die Verschränkung passiert auf inhaltlicher Ebene", sagt Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin des "Standard". "Online wird bei unserer Redaktionskonferenz wie ein eigenes Ressort behandelt."

News-Videos online

Dass Inhalte im Netz anders aufbereitet werden müssen als in der gedruckten Zeitung, liegt auf der Hand. Bei oe24.at versuchte man die Implementierung von stündlich neuen News-Videos à la Zeit im Bild. Mittlerweile wird nur mehr eine Sendung pro Tag produziert. "Bei der multimedialen Umsetzung von Inhalten müssen die Verlage noch dazulernen", ist Christian Nusser sicher. "Es bringt ja nichts, eine Zeit im Bild einfach ins Internet zu kopieren, wo die Ästhetik ganz anders ist als im TV."

Für Hubert Patterer muss Online "ein digitales Kraftwerk werden mit ordentlichen Turbinen, die die Inhalte auf die einzelnen Plattformen und Kanäle pumpen, egal, ob das ein Handy, ein Laptop-Bildschirm oder die Info-Vidi-Wall auf einem öffentlichen Platz oder in der Straßenbahn ist."

Ein Megatrend, so das "Redaktionsbarometer", ist der Allround-Journalist: Redakteure, die sämtliche Inhalte für alle Medien produzieren, zunächst online, danach Print, dann wieder vertiefend online. "Das funktioniert aber nicht, beides gleichzeitig kann man nicht wahrnehmen", ist Gerlinde Hinterleitner überzeugt. Ebenso wie Christian Nusser von Österreich: "Der Spiegel-Online-Weg wird sich durchsetzen: Die Redaktionen sind zwar vernetzt, aber Online wird zunehmend eigene Inhalte bringen." Allround-Journalisten sind auch für Alexandra Föderl-Schmid vom Standard undenkbar: "Jedes Medium hat seine eigenen Gesetze. Journalisten, die als eierlegende Wollmilchsau funktionieren, wird es nicht geben."

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