Pharma-Krimi im Internet

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Potenzmittel und Schlankmacher sind der Renner bei E-Pharmacys, doch das Risiko ist nicht gering

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Potenzmittel und Schlankmacher sind der Renner bei E-Pharmacys, doch das Risiko ist nicht gering

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Dubiose Anbieter in zwielichtigen Shops, zweifelhafte Geschäfte in denen mit Suchtgiften, Opiaten, Narkotika und Designer-Drogen gehandelt wird. "Pharma-Krimi" nennt Sabine Vogler vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) das Szenario. Vogler hat mit Kollegin Claudia Habl eine Studie über den Arzneimittelvertrieb im Internet erstellt. Testbestellungen mit anschließender pharmazeutischer Prüfung der erhaltenen Medikamente bildeten den empirischen Hintergrund ihrer Untersuchung. Das Ergebnis ist erschreckend, resümiert Vogler im Gespräch mit der furche: "Die meisten Geschäfte werden mit Lifestyle-Produkten wie dem Potenzmittel Viagra, der Abnehmepille Xenical, dem Nikotinentwöhnungsmittel Zyban gemacht." Und Arzneimittel, die in Österreich rezeptpflichtig oder nicht zugelassen sind, wurden, so Vogler, frei verkauft.

Über 90 Prozent der untersuchten Internetapotheken (insgesamt 150) stellten keine Fachinformationen zu den angebotenen Arzneimitteln zur Verfügung und gaben keine oder unzureichende Hinweise auf Risiken und Nebenwirkungen. Die Konsumenten erwarten zudem unangenehme Überraschungen: Falsche Lieferungen, falsche Mengen, lange Lieferzeiten und sogar das Risiko, verunreinigte und in Eigenregie hergestellte Medikamente zu erhalten.

Wer bestellt überhaupt mit der Computermaus und warum geht er oder sie nicht zum Apotheker ums Eck? "Die Hemmschwelle fällt weg", antwortet Karin Oberdorfer von der Österreichischen Apothekerkammer auf die Frage nach dem Motiv für den Kauf von Pharmaka via Internet. "Vor dem Bildschirm fühlen sich viele ganz einfach sicherer", erklärt Oberdorfer ihre Meinung. Besonders wenn es um den Kauf sogenannter "peinlicher Produkte" wie Viagra oder anderer Potenzmittel geht. "Da ist bei vielen die Hemmschwelle sehr groß, so etwas an der Ladentheke zu ordern." Ein weiteres Motiv ist auch, dass man via Internet Sachen bestellen kann, die "man sonst nicht kriegt", glaubt die Wirtschaftsspezialistin der Apothekerkammer. In elf der 15 EU-Länder sei der Internethandel von Arzneien verboten, weiß Oberdorfer. Und wer von Österreich aus via Internet Pharmaka bestellt, und sich diese aus dem Ausland zusenden lässt, verstößt gegen das Arzneiwareneinfuhrgesetz und muss mit einer Geldstrafe rechnen, fügt Sabine Vogler hinzu. Aus Erfahrung weiß die Wissenschafterin aber, dass Dutzende zu Versuchszwecken durchgeführte Testbestellungen ohne Schwierigkeiten den Zoll passierten.

Trotz aller Unsicherheiten und Risiken ist Michaela Mitsche von der Stadtapotheke Hallein überzeugt, dass mit dem Internethandel den traditionellen Apotheken "eine brutale Konkurrenz" heranwächst. "Nicht mehr aufzuhalten" ist für Mitsche die Entwicklung weg vom herkömmlichen Geschäft hin zum elektronischen Handel. Immer öfter kämen Kunden mit einen Internetausdruck in der Hand in ihre Apotheke und lassen sich beraten, geben abschließend aber unumwunden zu, jetzt im Internet die benötigte Arznei zu bestellen: "Weil es einfach billiger ist!"

"Der Preisvorteil, besonders für chronisch Kranke die einen planbaren Arzneimittelbedarf haben, ist unser entscheidender Vorteil", gibt Karin Cofalka zu. Cofalka ist Pressesprecherin von "DocMorris" einem niederländischen Internetanbieter von Arzneimitteln. Dass "alle Anbieter in eine Topf geworfen werden", ist für Cofalka das größte Problem, mit dem seriöse Anbieter konfrontiert sind. So sei bei "DocMorris" und anderen angeblich vertrauenswürdigen E-Pharmacies die Einhaltung von Rezeptpflichten eine Selbstverständlichkeit, meint Cofalka und verweist auf Verbrauchertests, die ihrem Unternehmen Seriosität bescheinigen. An einem Gütessiegel, wie in den USA bereits üblich, wird man, so Sabine Vogler, über kurz oder lang auch in Europa nicht herumkommen. Bis dahin rät die Wissenschafterin jedoch noch zur Vorsicht bei Apotheken im Internet.

Die ÖBIG-Studie ist unter Tel.: 01/51561-152 erhältlich.

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