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Die Österreicher in Cannes ärgerten sich über die Diagonale-Intendanz-Bestellung daheim.Auch der Cannes-Sieger profitierte von politischen Umständen.

Lange Gesichter in Cannes: Während ein Gutteil der österreichischen Filmbranche bei den Festspielen weilte, verfügte daheim in Wien Kunststaatssekretär Frank Morak die Neubestellung der Diagonale-Intendanz, des Festivals des österreichischen Films. Kein guter Zeitpunkt, zumal die Debatte um die Nachfolge von Christine Dollhofer und Constantin Wulff als Diagonale-Leiter schon im März nach der Neuausschreibung des Postens die Gemüter erhitzte. Hinzu kommt noch, dass Morak knapp vor der Bekanntgabe der Entscheidung selbst in Cannes war, um - fast unerkannt - an der Premiere von Michael Hanekes "Wolfzeit" teilzunehmen.

Die neue Intendanz besteht aus Miroljub Vuckovic, dem Leiter des Jugoslawischen Filminstituts in Belgrad, und Tillmann Fuchs, der bisher die (Miss-)Geschicke des privaten TV-Senders ATV lenkte. Vuckovic soll künftig die künstlerische, Fuchs die kaufmännische Leitung übernehmen. Noch kennt sich das Intendanten-Duo nicht persönlich, und Vuckovic räumte ein, sich erst in die Materie des österreichischen Films einarbeiten zu müssen.

In Cannes sprach sich die versammelte Filmbranche empört gegen die Entscheidung aus. Filmproduzent Alexander Dumreicher-Ivanceanu, mit seiner Firma "Amour Fou" gleich mit vier Beiträgen in Cannes präsent, bezeichnete die Wahl als "krasse Fehlentscheidung". Vuckovic sei ein "persönlich und künstlerisch integrer und interessanter Filmkurator, aber nicht der richtige Mann für die Diagonale", so Dumreicher-Ivanceanu. Mit der Bestellung von Fuchs werde "ein völlig falsches Signal gesetzt". Fuchs sei ein "Mensch mit Managererfahrung, der vom kommerziellen Fernsehen kommt, aber dort nicht erfolgreich war".

Virgil Widrich, dessen Kurzfilm "Fast Film" im Kurzfilm-Wettbewerb teilnahm: "Moraks Vorgehensweise war ungeschickt. Er ging damit in Opposition zur Filmbranche, was auch den neuen Intendanten gegenüber unfair ist." Die Folge sei eine Pattsituation, "die letztlich das Festival zerstören könnte".

Viennale-Chef Hans Hurch rief gar zum Boykott der Diagonale auf und warf Morak eine "zutiefst undemokratische, willkürliche, rachsüchtige Aktion" vor. Vuckovic sei zwar ein kompetenter Mann, doch die Tatsache, dass er nicht Deutsch könne, sei für ein österreichisches Festival doch "seltsam". Die ehemaligen Diagonale-Leiter Wulff und Dollhofer: "Diese Entscheidung spricht für sich."

Jedenfalls folgte Morak exakt seiner Ausschreibung, in der eine Umpositionierung der Diagonale zum südosteuropäischen Filmfestival angedacht wurde. Deshalb sollte der Intendant auch eine südost- oder mitteleuropäische Sprache beherrschen. Deutsch war in der Ausschreibung keine Bedingung.

Überraschungssieger

Während die Branche die Diagonale als Basis der Filmkultur angegriffen sieht, feierten die heimischen Filme in Cannes Erfolge. Gleich fünf Arbeiten waren nach Cannes geladen, darunter Michael Hanekes verstörende Endzeitvision "Wolfzeit", Ruth Maders Debütfilm "Struggle" und Virgil Widrichs "Fast Film". Letztere wurden nach ihrer Cannes-Teilnahme zu unzähligen weiteren Festivals eingeladen.

Schwach das übrige Programm: Die Filme von François Ozon ("Swimmingpool"), André Téchiné ("Les égarés") oder Peter Greenaway ("The Tulse Luper Suitcases") enttäuschten, viele Arbeiten vermittelten den Eindruck von Unfertigkeit, Inkonsequenz und erzählerischer Ratlosigkeit. Den Tiefpunkt bildete der zweite Spielfilm von Vincent Gallo ("Buffalo 66"): In "The Brown Bunny" sieht man dem Regisseur, Hauptdarsteller, Kameramann, Schnittmeister und Produzent Gallo zwei Stunden bei einer Autofahrt durch Amerika zu, gefolgt von einer pikanten Oralsexszene. Eine langweilige Verarschung des Publikums.

Lars von Triers Drama "Dogville" mit Nicole Kidman war Favorit, wenngleich die Jury unter dem Vorsitz von Patrice Chéreau einem anderen Film überraschend den Vorzug gab: Gus van Sants "Elephant" erhielt die Goldene Palme und den Regie-Preis. Van Sant erzählt mit minimalistischen Mitteln von jenem Massaker an der Columbine-Highschool, bei dem zwei Schüler 1999 zwölf ihrer Mitschüler und einen Lehrer erschossen. Im Vorjahr hatte Michael Moore mit "Bowling for Columbine" dasselbe Thema dokumentarisch verarbeitet und in Cannes dafür einen Spezialpreis bekommen.

Die Goldene Palme für "Elephant", einer der wenigen Qualitätsarbeiten in Cannes, dürfte aber auch ein politisches Statement der Jury sein. Einen Film aus den USA zu prämieren, der die US-Gesellschaft scharf kritisiert - darauf hin dürften sich die zunehmend angespannten Beziehungen zwischen Frankreich und den USA nun auch auf Kulturebene fortsetzen.

Die neue Diagonale-Intendanz und die Goldene Palme: Irgendwie hat die Politik immer die Hand im Spiel. Auch - oder gerade - in der Kunst.

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