Politkino. Kinopolitik

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Die Viennale ist nicht nur Diskussionsort für Filmkultur, sondern auch ein politisches Statement ihrer Macher.

Die Viennale ist seit jeher nicht nur ein Ort der Begegnung mit der Kunst, sondern auch eine politische Veranstaltung. Ihre Macher sind sich einig, wofür und wogegen man stehen will, und sie zeigen dies nicht nur in ihren Eröffnungsreden, sondern auch in ihrer Filmauswahl. Vergangenen Freitag reichte man zur Eröffnung der 44. Ausgabe der Filmschau Stephen Frears The Queen, der dem Publikum eine britische Monarchin (hervorragend interpretiert von Helen Mirren) vorführt, der es weder an Härte noch an Güte oder Noblesse fehlt. Die aber in jener Woche, als Lady Di starb, keine Worte für ihr Volk fand, sondern sich in die Obhut ihrer Krone zurückzog.

Parallelen zur österreichischen Politik tun sich auf. Sogar der Bundespräsident wohnte der Viennale-Premiere erstmalig bei, weil er The Queen sehen wollte. Frears' Film nimmt Politik nicht bierernst, sondern ist vor allem heiter. Weil er die Royals nicht verurteilt, sondern behauptet, dass die große Politik nicht immer nur von Pragmatismus geprägt ist: Politik selbst spielt sich aber manchmal außerhalb der nachvollziehbaren Überlegungen ab. Zumindest fallweise menschelt es auch im britischen Königshaus.

Für Festivalleiter Hans Hurch ist die Viennale der ideale Ort, um seine Sicht von Politik kund zu tun. Hurch will mit seinem Programm die Politik demaskieren, will politische Lügner enttarnen und unantastbar wirkende Politik vermenschlichen: "Politik ist genuin auch etwas Filmisches. Es wäre angesichts der Weltlage auch grotesk, wenn Politik im Kino keine Rolle spielen würde".

Realpolitisch wirkt in der heimischen Film-Szene in diesem Jahr vieles entspannter, ja erleichtert: Der Wahlausgang ließ Wiens Kulturstadtrat Mailath-Pokorny von einem "neuen Klima in der Kulturpolitik" träumen und Hurch kochte in seinem gewohnt politischen Eröffnungsstatement Vergangenes - vor allem die Versäumnisse der schwarzblau(orangen)en Koalition neu auf (vgl. In Medias res, rechts, Anm.). Das Publikum hingegen sehnte sich nach einem unterhaltsamen Kinoabend, den es mit dem gefälligen The Queen dann auch bekam. Hier wird mehr eine Debatte über Werte geführt, weniger über den politischen Alltag. Auch in Emilio Estevez' Bobby, der von jenen Menschen berichtet, die der Ermordung von Robert F. Kennedy beiwohnen mussten, ist dieser Drang zur Vermenschlichung der Politik spürbar. Dieser Film sagt: Der Politiker als Projektionsfläche für Träume, Wünsche und Werte - das sollte das Ideal sein.

Filme, die politisch sind

Für Hans Hurch ist Politik ganz eng mit der Filmkunst verwoben: "Das Spannende sind allerdings nicht Filme, die von Politik erzählen, sondern die in ihrem Kern selbst politisch sind." Hurchs Programmauswahl pendelt in dieser Hinsicht zwischen Filmen des britischen Undergroundfilmers Peter Whitehead und gesellschaftspolitisch relevanten Dokus aus Österreich (etwa Anja Salomonowitz' Kurz davor ist es passiert oder Andrina Mracnikars Der Kärntner spricht Deutsch) und Deutschland (Romuald Karmakars Hamburger Lektionen). Der Dokumentarfilm als künstlerisches Ausdrucksmedium ist seit jeher ein Herzstück der Viennale, da sind Spielfilme, die offensichtlich von Politik handeln, nur ein Zugpferd, ein Bonus für das Publikum. Das Gesamtbild, das die Viennale abgibt, ist dann "ein Stück Aufklärung in Wien" (Mailath-Pokorny).

Abseits der politischen Aspekte der Viennale nimmt sie eine weitere Funktion wahr: Film als Kulturgut ist auch dank der Viennale wieder ein Thema in Wien. Das Bewusstsein für eine Filmkultur entwickelt sich rasant, was nicht nur die stetig steigende Auslastung der Viennale-Vorstellungen zeigt (im Vorjahr zählte man 82.000 Besucher!), sondern auch der Umstand, dass Filme, die als anspruchsvolle Arthausproduktionen bezeichnet werden, vermehrten Zulauf haben. Die Kinobranche hat mittlerweile reagiert - selbst große Kinoketten reichern ihr Programm zunehmend mit "kleinen" Filmen an. Ein Durchbruch für die Filmkunst ist zwar noch meilenweit entfernt, aber die Richtung stimmt.

Umgekehrt verhält es sich aber genauso: Die Viennale ist kein abgehobenes Kunstfilmfestival, sondern treibt mit ihrer Vielfalt (vom Horrorfilm bis zum Retrospektive über Agnès Varda und Jacques Demy) auch neue Schichten von Kinogängern in die Kinos. Hans Hurch nimmt erfreulicherweise kaum Rücksicht auf Markttauglichkeiten, weshalb die Viennale zahlreiche Entdeckungen bietet - auch für ein eher am Mainstream interessiertes Publikum. Was der Viennale noch fehlt, um vom Filmdiskussionsforum zum vollwertigen Festival zu werden, ist ohnehin schon geplant: Hurch will bis zum Ende seiner Intendanz im Jahr 2010 einen großen Filmpreis ins Leben rufen. Was wiederum ein Bekenntnis der Politik zum Film als Kulturgut voraussetzt.

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