Post(tarif) killt Zeitungen

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Nicht Höhe und Vergabe der Presseförderung, sondern der Postzeitungstarif ist existenziell wichtig.

Wer zu Beginn einer Diskussionsrunde im Eck sitzt, muss nicht automatisch bis zum Ende der Veranstaltung dort bleiben. Wer anfangs die Mitte besetzt, sollte sich nicht zu sicher sein, dass nicht am Schluss die Ecke droht. Andreas Unterberger, Chefredakteur der Presse, fühlte sich beim letztwöchigen Jour Fixe des Verbandes Katholischer Publizisten zum Thema Presseförderung "in zweifacher Hinsicht im Eck". Erstens fand Unterberger nur mehr im schweren Lederclubsessel am Rand des Raumes Platz. Zweitens - und das wiegte schwerer - war mit ihm ein Vertreter jenes Blattes anwesend, das in diesem Jahr mit 38,7 Millionen Schilling an Unterstützung zum größten Nutznießer der Presseförderung avancierte.

Da hatten es die beiden anderen Diskutanten bei weitem leichter. Gerhard Popp, Sprecher von ÖVP-Mediensprecher Wilhelm Molterer und Grünen-Mediensprecher Stefan Schennach besetzten nicht nur die Mitte des Raumes, sondern mit der von beiden geteilten Meinung, dass eine Reform der Presseförderung so rasch als möglich umgesetzt werden muss, war ihnen zunächst die breite Zustimmung des Publikums sicher.

Und auch als Popp die von der Regierung geplante Reform der Presseförderung skizzierte, war die Sitzordnung noch unumstritten: Beim Gesamtvolumen der Förderung muss man, so Popp, aufgrund der Vielzahl an Begehrlichkeiten schon froh sein, wenn die aktuellen 220 Millionen Schilling gehalten werden können. Aufgeteilt werden soll dieses Geld, laut Regierungsplan, mit Hilfe eines "Drei-Säulen-Konzepts", das in seinen Grundzügen noch aus rot-schwarzen Zeiten stammt. Eine "Vertriebsförderung" als Hauptsäule würde sich nach der Anzahl der verkauften Abonnements bemessen, nationale und regionale Marktführer sowie Blätter mit über 40.000 Abonnenten wären aber ausgeschlossen. Ein weiterer Geldtopf soll zur Förderung der "regionalen Vielfalt" dienen, wiederum wären die jeweiligen Marktführer ausgeschlossen. Schließlich, so Medienexperte Popp, könnte die dritte Säule der "Presseförderung neu" in der Unterstützung von innovativen Projekten - zum Beispiel redaktionsinterne Journalistenausbildung, Korrespondententätigkeit - bestehen.

Stefan Schennach kritisierte daraufhin die Regierung, dass sie wieder nur halbe Sachen mache, man kein "Medienförderungsgesetz" in Angriff nehme, um noch bestehende Nischen besser zu sichern und Medienvielfalt - auch im Rundfunkbereich - zu gewährleisten. Außerdem hält Schennach nichts davon, "Marktschwäche zu fördern und durchzufüttern", genauso wie er an der bestehenden Presseförderung die Förderung der Anzeigenschwäche moniert.

Das konnte Andreas Unterberger so nicht hinnehmen. Völlig d'accord mit Schennach was das Nein zur Förderung der Marktschwäche betrifft ("Soll ich einen Leser ablehnen, weil er mich zuviel Geld kostet?"), korrigierte Unterberger die Meinung, seine Presse sei nur aufgrund von Anzeigenschwäche zum größten Teil des Förderungskuchen gekommen.

Glückskind Presse

Nach dem Aus für die Neue Zeit und dem zu großem Anzeigenaufkommen im Standard sei die Presse, meinte ihr Chefredakteur, eben übrig geblieben. Aber nicht aus einer Anzeigenschwäche heraus, sondern durch die Erhöhung des redaktionellen Anteils konnte man unter der für die Erlangung der Presseförderung erlaubten Anzeigenquote bleiben. Insofern sei er auch ein Glückskind, meinte Unterberger, denn welcher Chefredakteur wünscht sich nicht, auf Geheiß von oben den redaktionellen Anteil zu erhöhen und damit die Qualität seines Blattes zu erhöhen. Damit sich die "Standard-Katastrophe" aber nicht wiederholt, plädierte Unterberger dafür, die Anzeigengrenzen fließend zu gestalten oder überhaupt an eine Förderung von Qualitätszeitungen - "die sich ja definieren lassen" - zu denken. Außerdem rechtfertigte der Presse-Chef die Presseförderung als eine Ausgleichsgebühr für die Steine, die der Staat den heimischen Medien (Stichwort: Anzeigenabgabe) in den Weg legt.

Unterberger war auch in anderer Hinsicht das Glückskind des Abends. Je länger die Veranstaltung dauerte, desto mehr rückte statt seiner der Regierungssprecher ins Eck. Die Beiträge des Publikums kritisierten nämlich durchwegs das anstehende Auslaufen des verbilligten Postzeitungstarifes. Da half es auch nichts, dass sich Popp dafür einsetzte, die beiden Bereiche (Presseförderung und Zeitungstarif) getrennt zu lassen. "Die Höhe des Postzeitungstarifes ist eine existenzielle Frage, nicht nur, aber vor allem für die Kirchenzeitungen", entgegnete der Chefredakteur der Linzer Kirchenzeitung Matthäus Fellinger. Bleibt es bei der geplanten exorbitanten Steigerung, dann kommt es zu einem Titelsterben sondergleichen, beklagten er und andere Kirchenzeitungsvertreter. Sich, dieses Horrorszenario vor Augen, um die Verteilung von verhältnismäßig lächerlichen 220 Millionen Schilling Gedanken zu machen, ist jedenfalls grotesk, befand das Publikum und ließ die Regierung im Eck zurück. Wer wirklich will - siehe oben - kommt aber aus jedem Eck wieder raus.

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