Prediger gegen Bush

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Michael Moore - oder: Von einem, der auszog, den US-Präsidenten das Fürchten zu lehren.

Es wäre wohl eine Illusion zu glauben, dass die Bush-kritische Dokumentation "Fahrenheit 9/11" von Michael Moore die US-Wahlen im Herbst beeinflussen könnte. Wäre es tatsächlich eine Illusion? Michael Moore glaubt jedenfalls fest daran, Wähler gegen den amtierenden US-Präsidenten mobilisieren zu können. Der 50-jährige Dokumentarfilmer mit Hang zur Polemik (Oscar für "Bowling for Columbine" im Jahr 2002) versucht alles in seiner Macht stehende zu tun, um die Ära Bush mit dem nächsten Wahltag enden zu lassen. Vergangene Woche zeigte sich Moore an der Seite von John Kerry bei der National Democratic Convention, um Stimmung für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten zu machen. Freilich ohne Einladung der Demokraten, denen Moores Stil zu radikal und riskant erscheint. Moore war trotzdem vor Ort und die TV-Kameras stürzten sich auf ihn.

Amerika die Augen öffnen

Zuerst gewann Moore mit "Fahrenheit 9/11" die Goldene Palme von Cannes, wofür es mit 25 Minuten die längsten stehenden Ovationen in der Geschichte des Festivals gab. Das regierungskonforme Disney-Studio verweigerte den Verleih des Films, woraufhin sich Miramax-Produzent Harvey Weinstein die Rechte von Disney einfach mit seinem Privatvermögen zurückkaufte. Moores Motto: "Wenn die Amerikaner meinen Film sehen, dann werden ihnen die Augen geöffnet werden." Also musste der Film rasch in die Kinos. Der Kinostart mit rund 700 Kopien (zum Vergleich: Filme wie "Spiderman" starten in den USA mit knapp 3.000 Kopien) wurde zum Triumph: Gleich am ersten Wochenende spielte "Fahrenheit 9/11" 24 Millionen Dollar ein. Eine Summe, die noch nie zuvor von einem Dokumentarfilm erreicht wurde. Mittlerweile hat man die Kopienzahl auf 2000 aufgestockt, und das Einspielergebnis liegt bei über 100 Millionen Dollar.

Worin liegt also die Anziehungskraft von "Fahrenheit 9/11"? Moore untersucht darin die Beziehungen der Bush-Familie zu reichen Saudis und zu der Familie Osama Bin Ladens. Die Grundaussage: Während die Welt unter Entsetzen die Terroranschläge vom 11. September miterlebte, sei Bush untätig gewesen, ließ sogar Mitglieder der Bin Laden-Familie aus den USA ausfliegen - obwohl der gesamte Luftraum gesperrt war. Der als dümmlich hingestellte Präsident habe den darauf folgenden Krieg in Afghanistan als eine reine Ölbeschaffungsaktion angezettelt; der Kampf gegen den Terror wäre nur zum Anlass für den Irak-Krieg genommen worden. Moores Kameraleute reisten in den Irak und besuchten US-Truppen. Skandalös: Die jungen Krieger zeigen ohne Scheu, wie sie sich auf Kampfeinsätze "vorbereiten". Im Panzer lauscht man wilder Heavy-Metal-Musik, die Iraker werden zumeist wie Tiere behandelt. Die Art und Weise wie die USA Krieg führen drang bereits durch den Skandal rund um Folterfotos und Videos an die Öffentlichkeit. Michael Moore liefert nun in bekannt bissiger und polemischer Weise das i-Tüpfelchen dazu.

Moore findet mit seinen Thesen vor allem in Europa Zuspruch, aber auch der vor wenigen Tagen veröffentlichte Commission Report zu den Anschlägen vom 11. September erhärtet Moores Aussagen. Zumindest auf Moores Website www.michaelmoore.com finden sich zahlreiche Parallelen.

Um diese unters Volk zu bringen, unternimmt Moore einen wahren Marathon-Lauf: Als nächstes will er "Fahrenheit 9/11" in George W. Bushs Heimat Crawford, Texas, zeigen, und zwar in einem Football-Stadion. Moore hat Bush zu der Vorführung sogar eingeladen, bezweifelt aber zu Recht, dass der Präsident erscheinen wird. Überall, wo Moore auftaucht, lauschen Tausende seinen Reden - Moore ist der moderne Prediger, ein Mann aus dem Volk, der für ein besseres Amerika kämpft. Oder zumindest für eines ohne George W. Bush.

"Fahrenheit 9/11' ist vor allem für die 50 Prozent Nicht-Wähler in den USA gedacht", sagt Moore. "Sind das die Reichen und Gebildeten? Nein, das sind die Armen, die Arbeiter, die alleinerziehenden Mütter und die Afroamerikaner." Moore glaubt fest an die Möglichkeit einer Mobilisierung der Bevölkerung gegen Bush. Um seine Botschaft noch weiter zu verbreiten, ließ er jüngst mit einem Vorstoß das Blut in den Adern der Filmverleiher gefrieren. Moore "erlaubte" offiziell, dass sein Film auch illegal aus dem Internet heruntergeladen werden dürfe, "solange niemand mit meinem Film Geld verdient. Ich finde die derzeitige Gesetzeslage unerträglich, was Raubkopieren betrifft", sagte er. Folglich gibt es "Fahrenheit 9/11" im Internet in mehrfacher Ausführung zum Download.

9/11: Glücksfall für Bush?

Welche Motivation steckt hinter dem Unterfangen? In einem Interview mit dem "Playboy" sagte Moore: "Die Regierung benutzt die 3.000 Opfer des Terroranschlags dazu, ihre rechtslastige Agenda durchzupeitschen. Für die Regierung war die Tragödie ein Glücksfall". Unterschätzt Moore damit die Gefahr des Terrorismus? "Natürlich nicht, aber so, wie Bush das Problem angeht, schafft er keine Sicherheit. Neulich sah ich auf einem Flughafen, wie eine 87-jährige Frau, die im Rollstuhl saß, gezwungen wurde, die Schuhe auszuziehen. Wer glaubt, dass wir jetzt besser vorm Terror geschützt sind, ist nicht bei Sinnen. Wir Amerikaner sind verhasster in der Welt als je zuvor, und der Grund dafür ist Bushs so genannter Krieg gegen den Terror".

Nähere Infos: www.fahrenheit911.at

Ein Film macht Politik

"Fahrenheit 9/11" ist keine Doku im herkömmlichen Sinn. Denn Michael Moore liebt es zu polarisieren. Seine süffisant-zynische Art, Sachverhalte darzustellen, brachte ihm schon für seinen Film "Bowling for Columbine" (2002) viele Fans und einen Oscar ein. Sein neuer Film verrät im Grunde nichts Neues: Er stellt George Bush als dummen Versager hin, der es nur dank seines Vaters zu etwas gebracht hat. Nachdem er einige Öl-Firmen in den Konkurs führte, war der Posten des US-Präsidenten offenbar jener Job, in dem er am wenigsten Schaden anrichten konnte. Für Michael Moore allerdings eine krasse Fehleinschätzung.

Die Konfrontation, die der Filmemacher mit dem US-Präsidenten sucht, bleibt einseitig. Außer einer Szene, in der Bush dem Filmer zuruft, es doch einmal mit "anständiger Arbeit" zu versuchen, ist "Fahrenheit 9/11" eine auf Fakten basierende Polemik, die bewusst auf Objektivität verzichtet und ganz auf Provokation setzt. Für die Amerika-kritische Weltöffentlichkeit kommt der unterhaltsame Film wie ein Wellenbrecher daher, der die US-Propaganda im Irak- und Terrorkrieg massiv in Frage stellt. Ob "Fahrenheit 9/11" allerdings in den USA Einfluss auf die Wählerentscheidung nimmt, muss bezweifelt werden. Fest steht nur: Michael Moore etabliert sich damit einmal mehr als schillernde Galionsfigur des Widerstandes.

FAHRENHEIT 9/11

USA 2004. Regie/Drehbuch: Michael Moore. Mit Michael Moore, Debbie

Petriken. Verleih: Filmladen. 118 Min.

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