Privat-TV made in Austria

19451960198020002020

Seit Jänner ist ATV, das erste überegionale Privat-TV im Kabelnetz: Zeit für eine erste Bilanz.

19451960198020002020

Seit Jänner ist ATV, das erste überegionale Privat-TV im Kabelnetz: Zeit für eine erste Bilanz.

Werbung
Werbung
Werbung

ATV, "Austrian Television", ist der Name des ersten österreichweit - wenn auch nur über Kabel - ausgestrahlten privaten Fernsehprogramms. In Wien löste ATV damit den kleinen Sender W1 ab. W1 hatte es in seinem kurzen Bestehen von einem allseits belächelten und oft dilettantisch anmutendem Hinterhof-Sender zu einem Programm mit eigenem Profil und einer kleinen, aber treuen Fangemeinde gebracht. Besonders ältere Bewohner Wiens schätzten "ihren" Sender, der es punktuell recht gut mit dem um ein vielfaches höher budgetierten ORF aufnehmen konnte.

Unter anderem durch die Übernahme alter, aber schon lange (zum Unmut der Seher) abgelegter Erfolgsrezepte des ORF wie Trailer mit Frank Hoffmann, eine Sportsendung am Montag, Kasperl am Mittwoch et cetera. Und auch Innovatives wie ein Wirtschaftsmagazin (das dem ORF den Namen Euro vor der Nase wegschnappte), ein Reisemagazin oder eine Literatursendung über Wiener Buchhandlungen machten W1 zum interessanten Minderheitenprogramm. Dazu prägten noch der Promi-Nachmittagstalk Menschen (um vieles angenehmer als etwa Willkommen Österreich), Dominic Heinzls Seitenblicke-Alternative In Wien aber auch Billig-Erotik und sehr viele Wiederholungen das Bild des Senders.

Mit dem Entstehen von ATV war das alles vorbei. War W1 lange Zeit ein billig produzierter, punktuell aber durchaus intelligenterer Klon eines Vollprogramms a la ORF, ist ATV eine eins zu eins Übernahme tausendfach bewährter und ewig gleicher privater Programmschemata. Tatsächlich gibt es kaum etwas, das ATV von den Frühstadien der Sender RTL, SAT.1 oder Pro 7 unterscheidet: Nachmittags Cartoons, Sitcoms und Talk-Shows, abends Action-Serien und billige US-Filme, und dazwischen etwas News, Chronik, Musik und "Erotik" aus den unteren Schubladen.

Allerdings ist ATV nicht ganz ohne Innovatives, das allerdings im Gesamtprogramm etwas untergeht. Zum einen wurde Dominic Heinzls gut und interessant gemachte Adabei-Sendung In Wien unter dem (überregionalem) Titel Hot Shots als einzige ins neue Programm übernommen. Andererseits bewies man bei ATV mit dem Einkauf der japanischen Kult-Cartoon-Serie Pokemon, derzeit der Schlager unter Österreichs Heranwachsenden, schnellere Reaktion als der große Konkurrent.

Und auch die seit kurzem hinzugekommene tagesaktuelle Diskussionssendung Headline Talk, alternativ mit Ex-Liberalenchefin Heide Schmidt und Dieter Mohr in der Rolle des Moderators, ist zumindest von der Idee her interessant: ganz normale Menschen aus allen Bereichen des Lebens diskutieren tagesaktuelle Themen - teilweise auch mit Betroffenen und Fachleuten. Leider ist dieses Konzept sehr besetzungsabhängig: sind die Gäste diskutierfreudig und unterschiedlicher Meinung, kann der Blick auf des Volkes Stimme mitunter faszinieren. Wenn nicht, dann allerdings nicht ... Über die neueste Errungenschaft, eine tägliche(!), frühabendliche Comedy-Sendung mit Newcomer Meinrad Knapp unter dem Titel Knapp nach Ladenschluss kann man Tage nach Beginn seriöserweise noch nicht viel sagen.

Die anderen Programme von ATV sind seit Beginn gleich und - verglichen mit ihren deutschen Privat-Vorbildern - auch gleichförmig: kaum zu ertragender, hyperaktiver Nachmittags-Talk mit Hadschi Bankhofer (Speed). Danach gemäßigter und mäßig interessanter Talk to me. Ein ebenso mäßig interessantes abendliches Boulevardmagazin, eine recht gut gemachte News-Sendung, dazu viele durchschnittliche US-Filme und -Serien und (oft) unfreiwillig komische Werbesendungen. Kurz ein übliches deutsches Privatprogramm Made in Austria mit wenigen innovativen und individuellen Eigenleistungen. Mit seinem Budget könnte man in Deutschland nur einen Radiosender betreiben, meinte bei Sendestart ATV-Boss Tillmann Fuchs. Dafür ist ATV ganz gelungen - aber eben ein Dutzendprodukt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung