Private Wellen im Aufwind
Seit fünf Jahren ist "Antenne Steiermark", das erste Privatradio Österreichs, on air.
Seit fünf Jahren ist "Antenne Steiermark", das erste Privatradio Österreichs, on air.
Einst schickten die Nazis vom Reichssender Himmelreich aus ihre Propaganda bis nach Afrika. 50 Jahre später, genau am 22. September 1995, begann vom steirischen Dobl aus Österreichs erster Privatsender Antenne Steiermark, jede Menge Musik, gespickt mit Geisterfahrer-, Radar- und Staumeldungen in die steirischen Radios zu senden - und präsentierte die Nachrichten als PR-Gag fünf Minuten vor der vollen Stunde. Der Schritt in die rechtlich unsichere Zukunft des Privatradios fand Nachahmer: Zwei Monate später ging Salzburgs Radio Melody und schließlich am 1. April 1998 die Mehrzahl der anderen privaten Radiosender on air. Heute ist die steirische Antenne mit täglich 273.000 Hörern Österreichs größter Privatsender - vor dem Wiener Musiksender 88,6 und dem oberösterreichischen Life Radio.
Mit dem Sendestart der Privaten habe das Medium Radio insgesamt an Attraktivität gewonnen, meint Antenne-Geschäftsführer Alfred Grinschgl im Rahmen einer gemeinsam mit dem Österreichischen Journalisten Club veranstalteten Tagung: "Jeder dritte Werbeschilling aus den Hörfunk-Etats fließt ins Privatradio." Seit 1995 sind die Rundfunk-Werbeeinnahmen um 61 Prozent gewachsen - für Grinschgl der Beweis, dass entgegen den Befürchtungen das Privatradio "keine Werbemittel abgezogen, sondern sie ausgeweitet hat". Immerhin jeder dritte Österreicher in der kaufkräftigen Hauptzielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren höre täglich Privatradio.
Vorbild ist und bleibt Deutschland: Dort liegen Privatradios sowohl bei den Hörern als auch bei den Werbe-Etats bereits weit vor den öffentlich-rechtlichen Konkurrenten. Nicht nur die gebirgige Topographie - auch Urheberrechtsabgaben von mehr als elf Prozent des Umsatzes und Werbesteuern machen Privatradios in Österreich das Senden ungleich schwerer als anderswo. Vor allem den ORF nimmt Grinschgl ins Visier: So kritisiert er die Doppelfinanzierung aus Gebühren und Werbeeinnahmen, die Fülle vorhandener Frequenzen oder Cross-Promotion wie etwa Werbung für Ö3 im ORF-Fernsehen. Ganz oben am Wunschzettel von Grinschgl und Medienstaatssekretär Franz Morak steht gleichermaßen eine unabhängige Medienbehörde, die auch für die Lizenz- und Frequenzvergabe verantwortlich sein soll. Wie berichtet sorgt jedoch die Formierung der so genannten "KommAustria" (Kommunikationskommission Austria), zuständig für alle Belange im Bereich Kommunikation und elektronische Medien, schon jetzt für Turbulenzen.
Österreichs Medienpolitikern bleibt in jedem Fall viel zu tun: So droht rund 25 regionalen und lokalen Sendern im Oktober der Lizenzverlust, nachdem der Verfassungsgerichtshof im Juni die Privatrundfunkbehörde für verfassungswidrig erklärte. Und erst kürzlich befand ein Erkenntnis des Strassburger Menschenrechtsgerichtshofs das heimische ORF-Monopol auf terrestrisches - also mit Hausantenne empfangbares - Fernsehen für legitim. Dennoch soll 2001 ein Privatfernsehgesetz beschlossen werden.
Harsche Kritik am "anspruchslosen Mainstream" der heimischen Privatradios kam schließlich vom Kommunikationsforscher Erich Geretschläger: "Jeder versucht, das bessere Ö3 zu konzipieren. Doch die Hörer wollen ihre spezialisierten Erwartungen erfüllt sehen." Spartenradios und regionaler Bezug seien die richtigen Konzepte für Österreichs "verkrustete Medienlandschaft". Die Medienvertreter seien aufgefordert, den öffentlich-rechtlichen Auftrag präzise zu formulieren. Denn, so Geretschlägers: "Der ORF fasst seine Grenzen sehr weit. Hinter dem als Belastung verkauften Feigenblatt Ö1 agiert er nahezu ausschließlich kommerziell."
Der medialen Zukunft sehen die Radiomacher in Dobl betont gelassen entgegen: Schließlich lasse sich das Begleitmedium Radio - im Unterschied zum Fernsehen - mit dem Internet gut kombinieren. Umbrüche werden jedoch vom Digitalradio erwartet: Schon im Jahr 2009 könnte das analoge Radio Geschichte sein.
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